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§ 396. Schaden durch Tiere.
tödlich verletzt wurde.21 In der Tat wird man annehmen müssen, daß
der Fremde, indem er sich die Aufnahme erbittet, eine Gefälligkeit ver
langt, welche weder ihn noch den Fuhrherrn verpflichten soll.
5. Hat beim Schaden Verschulden des Beschädigten mit
gewirkt, so kommt § 254 zur entsprechenden Anwendung 22, z. B. wenn
der Verletzte trotz der an einem Gehöft angebrachten Warnung das
selbe unberechtigt betritt und hierbei durch Hunde beschädigt wird, oder
wenn er das schädigende Tier gereizt hat oder auch unvorsichtigerweise
mit ihm spielte.
Wie aber, wenn das von einem anderen Tiere angefallene Tier
das angreifende verwundet oder tötet? Es leuchtet ein, daß der Herr
des angefallenen Tieres in diesem Falle nicht haften kann. 23
6. Entsprechend unsern Ausführungen — oben Abt. I § 28
auch beim Tierschaden in der Bemessung des Schadensersatzes ein
Unterschied zu machen, ob dem Tierbesitzer Vorsatz oder wenigstens
Fahrlässigkeit, oder ob ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt. Se
geschieht es nach französischem Recht, welches für den § 833 das Vor
bild war.
V. Nach § 834 ist, wer für denjenigen, welcher ein Tier hält,
vertragsmäßig die Aufsicht übernahm, für den Tierschaden verantwortlich,
es sei denn, daß er nachweisbar die erforderliche Sorgfalt beobachtete,
oder daß der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden
wäre. 24
Im Sinne der Vorlage an den Reichstag sollte sich in diesem
Falle die Verpflichtung des Tierhalters auf gehörige Auswahl und Be
21) So R.G. v. 26. Febr. 1903 Bd. 54 S. 73. Hiergegen auch Litten, D. Jur. Ztg.
1905 S. 339; Danz, D. Jur. Ztg. 1905 S. 386.
Würde ein Handlungsunfähiger
22) R.G. v. 13. Juli 1904 Bd. 58 S. 410.
verletzt, so kann er ein Verschulden im Sinne des § 254 nicht begehen, R.G. vom
11. Mai 1903 Bd. 54 S. 407. Ist ein Geschäftsbeschränkter verletzt, so ist festzu
stellen, ob er die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht bei Be
gehung der Handlung gehabt hat. Bejahendenfalls ist § 254 anzuwenden. R.G.
v. 5. Mai 1902 Bd. 51 S. 275.
23) Man kann sich hierfür auf die Analogie der §§ 227 und 228 berufen; vgl.
Isay a. a. O. S. 315; L. G. Chemnitz v. 21. Nov. 1902, Sächs. Archiv Bd. 13 S. 239.
24) Wird derjenige, dem die Aufsicht über das Tier übertragen ist, selbst vom
Tiere verletzt, so ist der Halter insofern von der Haftung frei, als der Schaden durch
die dem Aufseher obliegende Sorgfalt abgewandt werden konnte. Trifft den Auf
seher kein Verschulden, so ist der Tierhalter verantwortlich, sofern nicht etwa das
Vertragsverhältnis die Haftung des Tierhalters ändert. O. L. G. Naumburg v. 4. Okt.
1901, Rechtspr. d. O. L.G. Bd. 3 S. 288. Bezüglich des Vertragsverhältnisses vgl.
oben Anm. 21.