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Schadenshaftung ohne Verschulden.
Aus rechtspolitischen Gründen werden in Fällen des Auflaufes
und des Aufruhres auch schuldlose Personen, die bei demselben an
wesend blieben, schadensersatzpflichtig.
V. Von besonderer Bedeutung für die Verhältnisse der neueren
Zeit ist der Gedanke, daß Schadensersatz zu leisten hat, wer ein mit
besonderen Gefahren für Dritte verbundenes Unternehmen,
wenn auch an sich berechtigterweise, betreibt. Hierauf gründen sich
namentlich die Bestimmungen des Reichshaftpflichtgesetzes.
Jenem Ge
danken entspricht, daß der Bergwerksbesitzer nach dem Preußischen
Berggesetz § 148 für allen Schaden haftet, welcher dem Grundeigen
tümer durch den Betrieb des Bergwerks zugefügt wird.
VI. Einige Fälle der Schadensersatzpflicht ohne Verschulden sind
im 25. Titel unter die unerlaubten Handlungen eingereiht. Infolge
dessen hat sich die Frage erhoben, ob und inwieweit die Bestimmungen
dieses Titels auch auf die Fälle der Haftung wegen unverschuldeten
Schadens anzuwenden sind.
Für die Verjährungsbestimmungen der §§ 852 und 853 ist
dies zweifellos. Für diejenigen Vorschriften aber, welche Konsequenzen
des Verschuldungsprinzips sind, ist es nicht zuzugeben. Also
können namentlich nicht §§ 827 und 828 bei Tierschaden= und Wild
schadenersatz zur Anwendung gebracht werden.“
VII. Eine weitere Frage ist, ob die kurze Verjährung des §852
auf verwandte Fälle außervertraglicher Schadenshaftung, bei denen das
Recht aber von Verschulden des Täters absieht, anwendbar ist. Ins
besondere fragt sich dies für die Schadenshaftung wegen ungerecht
fertigter Rechtsbehelfe. Obgleich die Bejahung folgerichtig, billig und
zweckmäßig wäre, wird sich die Praxis nur schwer hierzu verstehen,
weil sie an dem Satz festhalten wird, daß singulare Rechtsnormen nicht
ausdehnend zu interpretieren sind.
3) W. Müller, Begriff der unerlaubten Handlung, Halle, Kämmerer 1900.
4) Dagegen Endemann, Einf. I § 202 Anm. 8, will für die Haftung
alle für die unerlaubten Handlungen gegebenen Normen zur Anwendung
bringen, ebenso Cosack, B. R. Bd. 1 § 166 1c; Liszt, Deliktsobligationen S. 107.
Ich kann dies nicht dem Willen des Gesetzes entsprechend finden. Die Konse
quenzen der Grundgedanken der in den ersten Entwurf später eingeschobenen
Bestimmungen sind zu ziehen, nicht aus dem zufälligen Umstand, daß sie unter
dem Notdach der unerlaubten Handlungen untergebracht sind, widersinnige Rechtssätze
abzuleiten.