§ 395. Die Ersatzpflicht für nichtverschuldeten Schaden im allgemeinen. 741
an diesem Nachweise wird aber häufig die Verwirklichung des Schadens
anspruches scheitern müssen. Daher legt, wo dies besonders hart er
scheint, das Recht demjenigen, welcher wegen des Schadens in Anspruch
genommen wird, mehrfach den Nachweis der Schuldlosigkeit auf. So
namentlich §§ 827 Satz 2, 828 Abs. 2, 831, 832, 834.
Die Folge ist praktisch, daß man dann leicht auch ohne Verschulden
haftet; dessen ungeachtet wird Haftung aus „unerlaubter Handlung
angenommen und deren Grundsätze treten ein.
II. Dem älteren deutschen Rechte ist der Gedanke nicht fremd,
daß der Besitzer für Schaden durch Sachen in seinem Gewahrsam
aufzukommen hat; dies ist in den code civil art. 1384 übergegangen.
Im B. G. B. taucht jener Gedanke in der Haftung für Tierschaden,
ohne Rücksicht auf Verschulden des Halters des Tieres, auf, § 834.
Weniger schroff ist die Haftung des Grundstücksbesitzers gegenüber dem
durch Einsturz seines Gebäudes Beschädigten, § 836, wenn sie gleich
derselben Wurzel entspringt.
III. Mehrfach verstattet das Recht Eingriffe in die Rechts
stellung Dritter zum Schutze bedrohter Rechte derart, daß der Ein
greifende für den Schaden haftbar wird, wenn sich der Eingriff als
materiell ungerechtfertigt herausstellt. Dies nach jetzigem deutschen
Rechte namentlich in Fällen des Arrestes und vorläufiger Vollstreckung
von Urteilen. Ähnliche Gesichtspunkte begründen den Schadensersatz im
Falle unberechtigter, wenn auch auf entschuldbarem Irrtume beruhender
Selbsthilfe, § 231.
IV. Das Interesse der öffentlichen Sicherheit führt nicht selten
dazu, Schadenshaftung ohne Rücksicht auf Verschulden aufzulegen. Um
deswillen konnte in Rom der Bewohner des Raumes, von dem aus
ein Wurf oder Guß nach Orten geschah, wo das Publikum zu verkehren
pflegt, ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden mit der actio de dejectis
et effusis wegen des Schadens in Anspruch genommen werden.! Eine
ähnliche Bestimmung hatte der erste Entwurf, §§ 729ff. Die zweite
Kommission strich sie jedoch ersatzlos. Man nahm an, der moderne
Straßenverkehr sei durch Str. G. B. § 368 n. 8 in Verbindung mit den
polizeilichen Verordnungen genügend geschützt;? daher es einer zivilrecht
lichen Sonderbestimmung nicht bedürfe.
1) Dernburg, Pand. Bd. 2 § 134.
2) Prot. Bd. 2 S. 643.