§ 383. Der Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen nach B.G.B. 699
IV. Nach Absatz 1 macht schadensersatzpflichtig die widerrechtliche
schuldhafte Verletzung eines Rechtes, welches dem Verletzten zustand.
1. Das Gesetz hebt zunächst Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit
hervor, deren schuldhafte Schädigung es als Rechtsverletzung betrachtet.
Hieran schließt es an Verletzung des „Eigentums oder eines sonstigen
Rechts". Der Begriff des Eigentums nach B. G. B. ist klar, nicht aber,
was es hier unter den sonstigen Rechten versteht.“ Viele meinen nur
solche Rechte, die „dem Eigentum verwandt“ sind. Sie stützen sich hier
für auf vieldeutige Äußerungen bei der Beratung des Gesetzes in der
stellten Antrage hervor, zu dessen Begründung ausgeführt wurde: Die Vorschriften
über die Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen sind dazu bestimmt, die
Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb deren diese ihre individuelle Freiheit entfalten
und ihre Interessen verfolgen dürfen, voneinander abzugrenzen. Der Rechtskreis des
Einzelnen umfaßt, fuhr der Antragsteller fort, zunächst seine eigentlichen Vermögens
rechte, dingliche wie obligatorische, sodann aber auch seine sog. Persönlichkeitsrechte
(Leben, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Freiheit, Ehre), welche durch das an
jedermann gerichtete Verbot eines Eingriffes ebenso geschützt sind, wie die Rechte
an Sachen. Die Rechtskreise sind ferner (wurde weiter ausgeführt) so voneinander
abgegrenzt, daß das Gesetz dem einen im Interesse des andern gewisse Pflichten
auferlegt, ihm ein gewisses Verhalten gebietet oder verbietet. Dabei können aber
nur solche Gebote oder Verbote in Betracht kommen, welche darauf abzielen, das
Interesse des einen vor der Beeinträchtigung durch den anderen zu bewahren, nicht
dagegen die im Interesse der Gesamtheit auferlegten gesetzlichen Pflichten, welche,
weil sie den Interessen aller förderlich sind, auch jedem Beteiligten zugute kommen.
Auf diese Erwägungen wurde der Antrag gestützt: „Wer vorsätzlich oder aus Fahr
lässigkeit widerrechtlich das Recht eines anderen verletzt oder gegen ein den Schutz
eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist ihm zum Ersatz des daraus ent
standenen Schadens verpflichtet.“ Der Antrag wurde angenommen und Bestandteil
des 2. Entwurfes. Doch ein bedeutsames Nachspiel folgte! Dem Antrag gehörte
ein zweiter, erläuternder Absatz zu: „Zu den Rechten im Sinne dieser Vorschrift
gehört auch der Besitz; als Verletzung des Rechtes gilt auch die Verletzung des
Lebens, des Körpers und der Ehre.“ Dieser Absatz 2 wurde von der Kommission
abgelehnt; er sei doktrinär, bedenklich, gehöre nicht hierher. Bei der Revision der
2. Lesung durch die Kommission, Prot. Bd. 6 S. 200, wurde aber der Antrag ein
gebracht, in den Entwurf einzuschieben: „Wer das Leben, den Körper, die Gesund
heit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht verletzt.“ Dieser Vorschlag
sei, wurde ausgeführt, in der Hauptsache redaktioneller Natur. Bei der früheren
Beratung habe man den lehrhaften Schlußsatz, daß als Verletzung eines Rechtes im
Sinne der vorstehenden Vorschrift auch die Verletzung eines der einzeln aufgeführten,
immateriellen Rechtsgüter anzusehen sei, mit Recht gestrichen, da die heutige Wissen
schaft ein persönliches Recht im weiteren Sinne annehme. Danach aber finde sich
im 2. Entwurf nirgends unmittelbar ausgesprochen, daß die Verletzung dieser Güter
sich zivilrechtlich als Delikt darstelle. Dem solle der Zusatz abhelfen. Zwar wurde
eingewendet, daß gerade der Zusatz fraglich erscheinen lasse, ob alle Rechtsgüter
gedeckt seien, denn die Schlußklausel „oder ein sonstiges Recht“ schließe sich an Eigen
tum an und könne daher enger verstanden werden. Darüber wurde weiter nicht
diskutiert, der Zusatz gleichwohl angenommen.
6) So u. a. Rümelin, Kausalitätsbegriffe S. 68 Anm. 69. Dagegen findet
Endemann, B. R. Bd. 1 § 200 Anm. 8: man werde dem Sinn am besten gerecht,
wenn man das überflüssige Wort Eigentum aus dem Satze streicht.