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Ungerechtfertigte Bereicherung.
sich aus dem allgemeinen Wesen des beabsichtigten Geschäftes ergeben,
wie bei einer Ausstattung, oder auf besonderen Vereinbarungen beruhen.
Das B.G.B. § 812 fordert in diesem Sinne das Nichteintreten des
nach dem Inhalte des Rechtsgeschäftes bezweckten Erfolges.4.5
Irrtümlich wäre die Annahme, daß überhaupt Erwartungen und
Voraussetzungen, die von dem Kontrahenten beim Geschäftsabschlusse
gehegt oder auch ausgesprochen wurden, ohne weiteres in Betracht kämen.
Wer z. B. behufs Verheiratung seiner Tochter bei einem Möbelhändler
Ausstattungsstücke bestellt, kann, wenn die Ehe der Tochter nicht zu
stande kommt, keinenfalls die Herausgabe des für die Möbel gezahlten
Preises vom Möbelhändler fordern. Denn wenn dieser auch wußte, zu
welchen Zwecken die Anschaffung erfolgen sollte, so ist für ihn der vom
Besteller verfolgte Zweck unerheblich und nicht zum Bestandteile des
von ihm geschlossenen Geschäftes gemacht.
Wenn also Windscheid diese Kondiktion dadurch begründete, daß
eine auf die Zukunft gestellte „Voraussetzung
nicht verwirklicht wurde.
so war dies nicht falsch, aber nicht ausreichend. Nur Voraussetzungen,
welche Geschäftsbestandteile bilden, kommen in Betracht.
4) Ist einem Arzte ein Honorar im voraus geleistet, damit er den Leistenden
in seine Anstalt aufnimmt und dessen Krankheit heilt, so kann der ungeheilt Ent
lassene das Honorar keineswegs deshalb zurückfordern, weil der Zweck, welcher ihn
bestimmte, nicht erreicht ist. Denn wenn er dies auch erwartet hat, so war dies doch
keineswegs der nach dem Inhalte des Geschäftes mit der Leistung beiderseitig be
zweckte Erfolg. Derselbe war vielmehr die Aufnahme in die Heilanstalt und die ärzt
liche Behandlung. Um deswillen wird nach der Verkehrsauffassung das Honorar
gezahlt, keineswegs sollte hiernach dasselbe nur im Falle der Heilung dem Empfänger
verbleiben. Dies hätte besonders vereinbart werden müssen
5) Vgl. die Ausführung des O. L.G. Bamberg v. 23. Febr. 1901, Rechtspr.
d. O. L.G. Bd. 2 S. 383: Die Lehre der Windscheidschen Voraussetzung ist im B. G. B.
nicht adoptiert. Was dadurch bezweckt wird, erreicht das B.G. B. in beschränkter
Art durch § 812, der verlangt, daß der mit der Leistung nach dem Inhalt des
Rechtsgeschäftes bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist, wenn ein Bereicherungs
anspruch wegen Nichteintrittes des bei einer Leistung vorausgesetzten künftigen Er
eignisses erwachsen soll. Der Zweck muß objektiv als Bestandteil des Rechtsgeschäftes
erscheinen. Das Erfordernis des Nichteintrittes des nach dem Inhalt des Rechts
geschäfts bezweckten Erfolges umfaßt eine ausdrückliche, wie stillschweigend erklärte
Voraussetzung, enthält aber die Übereinstimmung beider Parteien über die Voraus
setzung in dem einen, wie in dem anderen Falle.
6) Die Auffassung von Windscheid, Die Lehre des römischen Rechtes von der
Voraussetzung und in seinen Pandekten Bd. 2 § 423, ursprünglich lebhaft begrüßt,
fand später energische Bekämpfung und verlor ihren Einfluß. Auch das R. G., welches
sich ihr angeschlossen hatte, wendete sich, Entsch. Bd. 24 S. 169, von ihr ab. E. I
§ 742; Motive Bd. 2 S. 842 huldigten ihr. Nach Prot. Bd. 2 S. 690 trat in der
zweiten Kommission niemand für sie ein, weil man sich überzeugte, daß jene
Lehre die Sicherheit des Verkehres gefährde und sich deshalb für das Gesetzbuch
nicht eigne.