§ 375. Tilgung einer vermeinten Schuld.
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zu halten und um das Dahinterstehende sich nicht zu kümmern. Aber der
Geschäftszweck, welchen der Leistende verfolgte, die Schuldtilgung, ist
nicht erreicht. Es wäre daher ein Unrecht gegenüber dem Leistenden,
wenn ihm der bereicherte Teil das Erlangte nicht zurück erstattete.
II. Der Anspruch deckt sich im allgemeinen mit der römischen
condictio indebiti. Daher lehnen sich auch die besonderen ihn be
treffenden Bestimmungen der §§ 813 und 814 an diese an. Vorgus
gesetzt ist hiernach
1. eine Zuwendung zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit.
Übermittelung von Geld, von anderen vertretbaren Sachen, einer
Spezies, Leistung von Diensten“, Übernahme von Verpflichtungen5, Ver
zichtes gehören hierher. Insbesondere gilt nach § 812 Abs. 2 als Leistung
auch die vertragsweise Anerkennung des Bestehens eines Schuldverhält
nisses. Anders nur, wenn die Anerkennung im Sinne des Anerkennenden
einen Verzicht auf etwaige weitere Ansprüche enthalten sollte.
Nicht bloß Erfüllung des Gegenstandes der vermeinten Schuld,
auch Leistung an Erfüllungsstatt begründet den Anspruch.8.9
2. Nichtbestehen der Schuld, welche getilgt werden sollte, ist
weiteres Erfordernis. Keinen Unterschied macht, ob sie niemals bestand,
oder zur Zeit der Leistung bereits getilgt war.
Ausdrücklich bestimmt § 813 Abs. 1 in Übereinstimmung mit den
römischen Grundsätzen!° auch, daß die Zurückforderung zulässig ist
wenn dem Anspruche eine zerstörliche Einrede entgegenstand, es
3) Wissen um diese Absicht beim Gläubiger zur Zeit des Erwerbs ist nicht er
forderlich, z. B. es erhält jemand durch Postanweisung eine Summe Geldes und es
stellt sich nachträglich heraus, daß sie ihm zur Tilgung einer vermeinten Schuld zugestell
war, Lenel, Archiv für ziv. Praxis Bd. 74 S. 224. Eine condictio sine causa nimmt
in diesem Falle an R.O.H.G. Bd. 25 S. 132.
4) l. 26 § 12; l. 40 § 2 D. h. t. 12, 6.
5) l. 31 D. h. t. 12, 6.
6) l. 39 D. h. t. 12, 6.
7) Siehe oben Bd. 2 Abt. 1 § 40: „Die Entlastung des Rechnungsstellers“,
Vgl. Kammerg. v. 1. Dez. 1903, D. Jur. Ztg. 1904 S. 316.
8) 1. 26 §§ 4—6 D. h. t. 12, 6; Römer, Leistung an Erfüllungsstatt S. 132.
9) Wer auf Grund eines formungültigen Vertrages, wissend, daß der Vertrag
noch nicht formgültig sei, aber in der Erwartung daß die Form nachgeholt werde,
zahlte, hat keine condictio indebiti, er hat eine condictio causa data, causa non
secuta, wenn die Leistung in der Erwartung geschah, daß der Vertrag noch form
gerecht geschlossen wurde; daher ist § 814 unanwendbar. Es ist also die Rückforderung
zulässig, obgleich der Zahlende die Formungültigkeit kannte. Kammerg. v. 6. Febr.
1902, Rechtspr. d. O.L.G. Bd. 4 S. 237; O. L.G. Kiel v. 9. Juli 1901, das. Bd. 3
S. 209; O.L.G. Jena v. 6. Dez. 1902, das. Bd. 6 S. 228; R.G. v. 30. Okt. 1902.
Jur. Woch. 1902 Beilg. 14 S. 281.
10) l. 26 §§ 3, 7; 1. 30; l. 32 § 1 D. de cond. indebiti 12, 6.