Die Verpflichtungen des Käufers und des Verkäufers.
Nach bisherigem preußischen Rechte waren zwar die staatlichen
Steuern von der Eintragung im Grundbuche ausgeschlossen, keineswegs
aber alle anderen öffentlichen Lasten der Grundstücke. Vielmehr wurden
dieselben sehr häufig, namentlich im Interesse der Korporationen in die
Grundbücher eingetragen.
Das preußische Ausführungsgesetz zur Grundbuchordnung, Art. 10,
hat die öffentlichen Lasten gleichfalls von der Eintragung in das
Grundbuch ausgeschlossen, hierfür war vorzugsweise bestimmend, daß
sonst der Verkäufer nach B. G. B. § 436 vom Käufer wegen ihres Be
stehens in Anspruch genommen werden könnte. 12. 13
IV. Kennt der Käufer den Mangel im Rechte beim Ver
kaufsschlusse,½ so ist ihm der Verkäufer wegen des Mangels nicht
haftbar, § 439 Abs. 1.15 Der Beweis liegt dem Verkäufer ob.
Der Kenntnis steht Nichtkennen aus grober Fahrlässigkeit keines
wegs gleich. Dagegen kann der Käufer, welcher die ihm gebotene Ge
legenheit zur Kenntnisnahme der Mängel in unentschuldbarer Weise
vereitelt hat, wegen derselben keinen Anspruch erheben.
Dem Käufer steht nicht entgegen, daß das fragliche Recht im
Grundbuche eingetragen war.
Entsprechend der Verkehrsauffassung, welche bereits A. L. R. I, 11
§ 184 zugrunde legte, hat der Verkäufer eine Hypothek, Grund
schuld, Rentenschuld oder ein Pfandrecht zu beseitigen, auch
R.G. Bd. 44 S. 243). Sie ist gemäß Art. 12. 18 des preuß. Rentenbankges.
v. 2. März 1850 in das Grundbuch einzutragen. R. G. v. 11. Dez. 1901 bei Gruchot
Bd.47 S.396. — Vgl. O. L. G. Stettin v. 29. Okt. 1902, Rechtspr. d. O. L. G. Bd. 8 S. 60.
11) Der Grund des § 436 liegt darin, daß öffentliche Lasten öffentlich bekannt
sind. Es besteht also eine gesetzliche Fiktion der Kenntnis. Deshalb kann sich der
Käufer auch nicht auf einen Irrtum über das Nichtbestehen der öffentlichen Last berufen.
12) Daß der Verkäufer im Falle besonderer Zusicherung der Abwesenheit
öffentlicher Lasten haftet, ist selbstverständlich.
13) Nach Art. 10 Abs. 2. des preuß. Ausführungsgesetzes bleiben § 17 Abs. 4
und § 39 des Gesetzes betr. Schutzwaldungen vom 6. Juli 1875 unberührt.
14) War zunächst ein formungültiger Vertrag über ein Grundstück abgeschlossen,
so kann der Käufer einen Mangel im Rechte nicht geltend machen, wenn er zwar
nicht bei dem formungültigen Abschlusse, aber vor der Vollendung der nach § 313
B.G.B. erforderlichen Form den Mangel gekannt hat. R.G. v. 12. Juli 1902,
Jur. Woch. 1902 Beilg. 11 S. 262. Wenn der Käufer zur Zeit des Vertrags
schlusses den Mangel im Recht nicht kannte, aber zur Zeit der Übereignung der
Kaufsache von demselben Kenntnis hatte, so bleibt ihm sein Anspruch, auch wenn er
zur Zeit ihres Erwerbs einen Vorbehalt nicht machte; anders bei Sachmängeln, § 464.
15) Wegen eines Fensterrechts, findet O. L. G. Karlsruhe, Rechtspr. d. O. L. G. Bd. 8
S. 62, kann der Käufer Anspruch gegen den Verkäufer nicht erheben, wenn er bei Abschluß
des Vertrages die Fenster kannte, mag er immerhin über die Tragweite oder recht
liche Beschaffenheit der Dienstbarkeit im unklaren gewesen sein. Aber Rechtsunwissen
heit genügt nicht nach § 439 Abs. 1; es ist Kenntnis des Mangels erforderlich.