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Dienstverträge.
Unfallversicherung zukommt, kann ihm angerechnet werden. So bestimmt
§ 616 Abs. 2. Entsprechendes ist für dasjenige anzunehmen, was er
infolge des die Hinderung veranlassenden Ereignisses verdient hat; er
ist z. B. als Reserveoffizier eingezogen und hat während der Übung
Offiziersgehalt bezogen.9. 10. 11
§ 306. Treuepflicht und Fürsorgepflicht.
I. Bei der Beratung des Entwurfes des B. G. B. im Reichstage
verlangten die sozialdemokratischen Abgeordneten nachdrücklich die Er
setzung des Namens „Dienstvertrag“ durch „Arbeitsvertrag“, ebenso
entschieden verwarfen die Mehrheitsparteien diese Anderung.
Das war nicht bloß ein Streit um Namen. Der Dienstvertrag
steht neben dem Arbeitsvertrage. In § 113 des B. G. B. ist daher die
Rede von „in Dienst oder Arbeit zu treten“, „von der Eingehung
eines Dienst= oder Arbeitsverhältnisses“. Was aber ist der Unterschied?
Beim Arbeitsvertrage handelt es sich bloß um Bewirkung vertrags
mäßiger Arbeit, der Dienstvertrag begründet eine persönliche Be
ziehung zum Dienstberechtigten.
II. Das Dienstverhältnis hat sein Wesen in persönlicher Dienst
treue. Diese ist aber selbstverständlich in den so mannigfach verschiedenen
Dienstverhältnissen von verschiedener Art und Stärke.
Die Diensttreue erscheint in der ältesten deutschen Geschichte in
strahlendem Lichte. Sie ist heutzutage am vollkommensten im Militär
9) Gleicher Ansicht L. G. Glogau v. 7. Nov. 1902, Breslauer Anwaltsztg. 1903
S. 10. Anders Planck § 616 Ziff. 4; Oertmann § 616 Ziff. 4.
10) Bezüglich der vor dem 1. Januar 1900 abgeschlossenen Dienstverhältnisse
bleibt gemäß Einf. Ges. Art. 170 das frühere Recht maßgebend. Das Dienstverhältnis
tritt nach Art. 171 wie Miete und Pacht erst dann unter die Herrschaft des B.G. B.,
wenn es nach dem 1. Januar 1900 nach bisherigem Rechte kündbar war und nicht
gekündigt wird. Eine starke Strömung, welcher auch Habicht, Einwirkung 2. Aufl.
S. 286 folgt, geht auf eine viel weitere Anwendung des B.G. B. auf ältere Dienst
verhältnisse. Insbesondere will man die im § 617 getroffenen Fürsorgepflichten
des Dienstherrn auch auf die älteren Dienstverhältnisse anwenden, weil diese
Pflichten den im Volke herrschenden Auffassungen entsprächen. Diese Bestim
mungen sind zwar dem gemäß, was nach der Volksansicht wünschbar ist; keineswegs
galten sie bisher als rechtlich verbindlich. Daher erachte ich diese Rückwirkung als
rechtsverletzend. Keinenfalls würde ich der Vorschrift des § 626, welche die vorzeitige
Kündigung eines Dienstverhältnisses aus „wichtigen Gründen“ zuläßt, auf ältere
Dienstverhältnisse anwenden. Eine so weit gehende Anwendung des neuen Rechtes
kann ich mit dem Grundgedanken des Einf. Ges. Art. 171 nicht verträglich finden.
11) Der § 616 ist auch anwendbar, wenn die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten,
sondern in Form des Stücklohns bemessen war und damit ein Werkvertrag vorlag,
falls die Arbeitszeit genau bestimmt war, Rümelin, „Dienstvertrag“ S. 301.