Full text: ¬Die Schuldverhältnisse nach dem Rechte des Deutschen Reichs und Preußens (2)

Der Auftrag. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag. 
434 
Daß es sich um ein an sich notwendiges Geschäft handelt, welches 
der Erhaltung eines Gutes des Geschäftsherrn dient, genügt also nicht, 
obgleich es regelmäßig in das Gewicht fallen wird. Denn oft muß 
man Notwendiges verabsäumen, weil anderes noch notwendiger ist. 
Andererseits ist nicht unumgänglich, daß das Geschäft ein notwendiges 
war. Auch die Inangriffnahme eines nicht notwendigen Geschäftes 
kann gerechtfertigt sein, falls es den Interessen, den Plänen und 
Wünschen des Geschäftsherrn entsprach, z. B. ein besonders günstiger 
Ankauf eines Grundstückes, dessen Erwerb ein abwesender Freund zur 
Arrondierung seines Besitzes längst erstrebt hatte. 
Da der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn vor allem 
maßgebend ist, so ergibt sich, daß die Einmischung in seine Geschäfte, welche 
der Geschäftsherr dem Geschäftsführer oder allgemein, wie derselbe weiß, 
verbot, auch dann nicht gerechtfertigt ist, wenn sie von gutem Erfolge war. 
2. Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäfts 
herrn kommt nicht in Betracht, wenn ohne dieselbe eine Pflicht des 
Geschäftsherrn, deren Nichterfüllung das öffentliche Interesse 
gefährdet, oder eine ihm gesetzlich obliegende Unterhaltspflichts 
nicht rechtzeitig erfüllt wurde, § 679.9 
Ähnliches nahm man schon in Rom bezüglich der Beerdigung eines 
Die Praxis und jetzt das B. G. B. hat den Satz ver 
Toten an.10 
allgemeinert. Es ist z. B. gerechtfertigt die Reparatur von Dämmen, 
welche durch eine Überschwemmungsgefahr erfordert wird, auch wenn 
sie der gefährdete Besitzer verbot.! 
mente eine das Interesse des Geschäftsherrn wahrende Geschäftsbesorgung im all 
gemeinen seinem vermutlichen Willen entspricht, so muß der Nachweis eines solchen 
Interesses im allgemeinen ausreichend erscheinen; es ist demgegenüber Sache des 
Beklagten, darzutun, daß die an sich nützliche Geschäftsführung im vorliegenden 
Falle — „ihm“ — unnütz war. 
8) Der Ehemann haftet für die ärztlichen Kosten, die durch die notwendig ge 
wordene Behandlung und Operation seiner getrennt lebenden Ehefrau entstanden sind. 
Kammerg. v. 30. Nov. 1901, Bl. f. Rechtspfl. i. B. d. K. 1902 S. 3; vgl. Warnatsch 
in D. Jur. Ztg. 1903 S. 245. 
9) Irrtümliche Annahme, nach § 679 befugt zu sein, genügt freilich nicht. 
10) Vgl. über die „actio funeraria“ die bei Dernburg, Pand. Bd. 2 § 122 Anm. 20 
und 21 Anges 
11) Schollmeyer, einzelne Schuldverhältnisse S. 28, führt als weiteres Beispiel 
an die Zahlung von Steuern, zu welchen ein anderer verpflichtet ist, die er aber 
nicht berichtigt und nicht berichtigen will. Dies Beispiel erachte ich als bedenklich 
aber auch als belehrend. Der Sinn des § 679 ist, wie unser Text andeutet, enger 
als sein Wortlaut. Dies ergibt der geschichtliche Zusammenhang und das Wesen 
der Sache.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer