Die Bürgschaft.
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Hauptschuldner Anspruch auf Preisminderung, so wird der Bürge hierauf
eine Einrede stützen können, damit greift er in die Rechte des Haupt
schuldners nicht ein."
V. Nach bisherigem Rechte war der Bürge befugt, dem Gläubiger
gegenüber die Gegenforderung, welche der Hauptschuldner gegen diesen
hatte, aufzurechnen.12.13 Das B.G.B. entzieht ihm dieses Recht. Man
meinte, so wenig er das Geld des Hauptschuldners ohne dessen Willen
zur Befriedigung des Gläubigers verwenden dürfe, so wenig könne er
mit einer dem Hauptschuldner zustehenden Gegenforderung den Anspruch
des Gläubigers tilgen.
Daher gibt § 770 Abs. 2 dem Bürgen nur eine verzögerliche Ein
rede, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige
Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann. Hat er eine ent
sprechende Einrede auch, wenn zwar nicht dem Gläubiger, wohl aber
dem Hauptschuldner das Recht der Aufrechnung zusteht? Dies ist als
in der Absicht des Gesetzes liegend zu erachten.14
VI. Hat der Gläubiger den Hauptschuldner verklagt und ist rechts
kräftig abgewiesen, so steht dem Bürgen die Einrede der Rechtskraft zur
Seite. Hat der Gläubiger dem Hauptschuldner gegenüber rechtskräftig
obgesiegt, so kommt ihm die Rechtskraft des Urteiles dem Bürgen
gegenüber an und für sich nicht zugute, da sie nur für und gegen die
Parteien wirkt, C. P.O. § 325.15 Jedoch kann der Bürge den Inhalt
11) Planck § 770 Ziff. 1 ist anderer Ansicht.
12) 1.4, 1. 5 D. de comp. 16, 2; A. L.R. I, 16 § 328; code civil art. 1294.
13) Der Bürge, auch der selbstschuldnerische, hat das Recht, den Gläubiger auch
dann, wenn dieser sich zunächst an den Hauptschulder halten will, durch Aufrechnung
mit einer ihm gegen den Gläubiger zustehenden Forderung zu befriedigen und dadurch
die Forderung desselben gegen den Hauptschuldner zu erwerben. Der Umstand, daß
der Gläubiger in Konkurs geraten ist, hat Erheblichkeit nicht, O. L. G. Dresden v.
3. Juli 1902, Sächs. Annalen Bd. 24 S. 266. Vgl. R. G. v. 31. Jan. 1901,
D. Jur. Ztg. 1903 S. 249. Sievers, ferner Conrades in Das Recht 1903 S. 249
und S. 308: Bürgschaft und Aufrechnung
14) Anderer Ansicht Cosack, B. R. 4. Aufl. Bd. 1 S. 584, in welcher er seine Be
hauptungen der 1. Auflage S. 566 zurücknimmt. Er gibt das Beispiel, daß A. eine
fällige Darlehensforderung gegen B. hat, für welche sich C. verbürgt, B. eine fällige
Gegenforderung wegen einer von A. vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
gegen A. Hier soll also C., obgleich das Aufrechnungsrecht des B. noch in der
Schwebe ist, schlechthin zahlen müssen. So auch Planck § 770 Ziff.
15) So auch R.G. v. 5. Nov. 1903 Bd. 56 S. 109: denn im Sinne des § 767
Abs. 1 letzter Satz wird durch ein nach Übernahme der Bürgschaft ergangenes rechts
kräftiges Urteil ebensowenig wie durch ein nach Eingehung der Bürgschaft ab
geschlossenes Rechtsgeschäft die Verpflichtung des Bürgen erweitert. Insoweit werde
§ 767 Abs. 1 gemäß des Satzes 3 modifiziert. Nach C. P. O. § 325 Abs. 1 wirke die
Rechtskraft eines im Vorprozeß ergangenen Urteils nur zwischen den Parteien und