Mängel der Kaufsache.
c) Andererseits macht das H. G. B. keinen Unterschied mehr
zwischen Versendungs= und Platzkäufen. Der Käufer hat bei
zweiseitigen Handelskäufen stets die Ware unmittelbar nach der Ab
lieferung zu untersuchen und deren Mängel dem Verkäufer anzuzeigen,
widrigenfalls dieselbe als genehmigt gilt.
IV. Die Rechtssätze, welche Wissenschaft und Praxis aus dem
alten H. G. B. Art. 347 entwickelten, sind auch für die Auslegung des
H. G. B. § 377 beachtenswert.
1. Dies gilt vor allem für den Begriff der Ablieferung der
Ware. Es ist hierfür erforderlich, daß die tatsächliche Verfügung über
dieselbe dem Käufer offen steht, und zwar so, daß er sie in geschäfts
ordnungsmäßiger Weise untersuchen kann. Nicht unumgänglich ist, daß
sie bereits in seinen körperlichen Gewahrsam gelangte, es genügt,
daß sie z. B. durch Aushändigung der Papiere über ein im Zollhaus
oder im Güterbahnhof lagerndes Gut zu seiner Verfügung stand.“ Der
Erwerb des Besitzes, selbst des unmittelbaren nach B. G. B. § 855,
z. B. durch einen zur Abholung abgesendeten Knecht, genügt dagegen
nicht.' Die Untersuchungspflicht besteht nicht, falls der Käufer die am
Bestimmungsorte angebotene Ware zurückweist, wenn er auch in der
Lage war, die Ware zu prüfen, und sich über deren Empfangbarkeit zu
äußern.8
vertragliche Verpflichtung des Käufers anzusehen ist und die Unterlassung der recht
zeitigen Mängelrüge als Verzicht auf die Geltendmachung des Mangels und als
stillschweigende Genehmigung der Ware zu gelten hat. R.G. v. 1. Nov. 1901, Jur.
Woch. 1901 S. 848 n. 30; vgl. Staub in D. Jur. Ztg. 1902 S. 24; Schönfeld in
Das Recht 1902 S. 504 und 1903 S. 288; Stübel in Sächs. Arch. Bd. 10 S. 405
5) Das O.L.G. Posen v. 14. Jan. 1901 in Seufferts Arch. Bd. 56 S. 284
n. 158 hat die Vorschrift des § 377 H.G.B. auch auf sog. Möbelleihverträge — vgl.
unten § 200 — zur analogen Anwendung gebracht.
6) Gruchot Bd. 43 S. 762; R.O.H.G. Bd. 3 S. 392, Bd. 6 S. 167.
R.G. Bd. 5 S. 28; Hanausek a. a. O. Bd. 2 S. 28.
8) R. O.H.G. Bd. 6 S. 324. — Der Ablieferungsort wird häufig der Bestim
mungsort der Ware sein, weil in vielen Fällen die Ware an diesem Orte in die
Verfügungsgewalt des Käufers gelangt. Aber Ablieferungsort und Bestimmungsort
fallen keineswegs notwendig zusammen, jedenfalls dann nicht, wenn die Ware vor
der Ankunft am Bestimmungsorte von dem Verkäufer abgeliefert wird. Liegt dieser
Fall vor, so ist der Zwischenort, wo die Ablieferung stattfindet, auch der Ort der
vorzunehmenden Untersuchung. Es können auch die Kontrahenten besonders aus
drücklich oder stillschweigend vereinbaren, daß die Untersuchung nicht an dem Ab
lieferungsorte, sondern an einem Orte, wo die Ware erst später hingelangt, statt
finden soll; damit wird wiederum dieser Ort nicht Ablieferungsort. Vereinbart kann
nur werden der Ort der Untersuchung; nicht kann vereinbart werden, daß ein anderer
Ort als derjenige, wo in Wahrheit die tatsächliche Ablieferung erfolgen soll, Ab
lieferungsort sein soll. R.G. v. 19. Juni 1899, Seufferts Arch. Bd. 55 S. 50 n. 23.