1. Buch. 2. Tit. §. 67.
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sich einen richtigen Begriff von dem heutigen Zustande, so
wohl der evangelischen als der catholischen Kirche mache,
daß man ferner eine genaue Kenntniß der verschiedenen
Lehrsätze der catholischen und protestantischen Theologie
habe, und überall das canonische Recht aus seinen rechten
Gründen herleite, um heutiges Tages bey der so grossen
Verschiedenheit unserer Zeiten von jenen, aus welchen das
canonische Gesezbuch herruͤhrt, keinen unrichtigen Gebraud
davon zu machen**)? Auch selbst unter den Katholiken
hat das canonische Recht viel von seiner Gültigkeit verloh
ren, und kann daher nicht anders als mit groser Behutsam
keit unter denselben angewendet werden, indem nicht nur
das Tridentinische Concilium und andere neuere bey ihnen
geltende Gesetze beträchtliche Abänderungen desselben ent
halten, sondern auch das ganz im Tone einer allgemeinen
und obersten geistlichen Macht von den Päbsten abgefaßte
canonische Gesezbuch durchaus nicht mit dem heutiges Ta
ges herrschenden Episcopalsystem bestehen kann. Nicht zu
gedenken, daß die heutige durch den Religions- und West
phälischen Frieden festgestellte Verfassung des teutschen
Reichs, und die Reichsgesezmäsige Bestimmung der Grenzen
zwischen der geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit viele
Verordnungen des canonischen Rechts ganz unanwendbar
macht?"). Daß übrigens durch das canonische Recht in
den
29) S. Io. Heinr. de BERCER Progr. de genuino iuris canonici
usu; seu de summa circumspectione et cautione in legendo
iure canonico eiusque Interpretibus doctori Protestantium ad
hibenda. Viteb. 1706. und in Desselben Philocalia fori,
p. 173. auch meine Praecognita iuris Eccles. p. 82. seq.
30) So z. B. ist es ein Grundsatz des canonischen Rechts, daß
causae iuramentorum vor die geistliche Gerichtsbarkeit gehören,
c. 34.