14
1. Buch. 1. Tit. §. 2.
ter iut ein nach den Gesetzen zustehendes Vermöͤgen etwas
zu thun verstehet, so hat jener Grundsatz den Verstand:
Wenn die Gesetze mir ein Recht ertheilen, so verpflichten sie
meine Mitbürger, die Ausübung desselben geschehen zu lassen.
Denn niemand darf den andern in seinem Rechte kränken,
oder ihn an dessen Ausübung hindern.
Was ist nun aber Verbindlichkeit? Der Be
griff, den wir in dem römischen Gesetzbuche 3*) davon fin
den, ist folgender: obligatio est iuris vinculum, quo
necessitate adstringimur, alicuius rei solvendae, secun
dum nostrae civitatis iura. Es ist ganz offenbar, daß
Justinian hier keinen allgemeinen Begriff gegeben, sondern
nur eine solche Verbindlichkeit bezeichnen wollen, die bürger
lich wirksam ist, und aus welcher nach römischen Rechten
eine Klage gegen den Schuldner erhoben werden konnte.
Dies zeigen die Worte secundum nostrae civitatis iura unter
andern sehr deutlich an. Es scheint dies auch der recht eigent
liche Begriff der Obligation im Sinne des römischen Civil
rechts zu seyn, wenigstens kann man sich's nun erklären,
wenn Julian 32) sagt, eine natürliche Verbindlichkeit, die
keine Klage wirkt, sey nur uneigentlich und per abusionem
eine obligatio zu nennen; ja wie lebhaft sich die römischen
Juristen überzeugt haben müssen, daß nur eine vollkomme
ne Verbindlichkeit, auf deren Erfüllung mit Beistand der
Rechte geklagt werden kann, den Namen einer Obligation
verdiene, läßt sich weiter daraus erkennen, wenn in den
Gesetzen 33) gesagt wird, ein sogenanntes pactum nudum
wirke
31) pr. 1. de obligat.
32) L. 16. §. 4. D. de fideiussor.
33) L. 7. §. 4. D. de pactis.