1. Buch. 1. Tit. §. 20. u. 21.
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Endlich 4) gehört auch zu den Wirkungen der Bekannt
machung eines Gesetzes, daß die Unwissenheit der Gesetze
Keinem zu statten kommt, der vermöge derselben einen
Vortheil hätte erlangen können, wenn er solchen aus
rechtlicher Unwissenheit einmahl aus den Händen gelassen hat.
Es tritt hier die Regel der L. 7. D. de iuris et facti ignor. ein:
luris ignorantia non prodest adquirere volentibus, welche
in der L. 9. §. 5. eodem. durch folgende sehr treffende Bey
spiele erläutert wird: wann ein Erbe, welcher über die
im Falcidischen Gesetz vorgeschriebene Maaße mit Ver
mächtnissen beschweret worden, solche vollständig und ohne
Abzug ausgezahlt hätte, weil ihm das Gesetz des Falci
dius nicht bekannt war; oder wenn ein Erbe, der mit
einem Universalfideicommisse oneriret worden, die Erb
schaft ganz restituirt haͤtte, ohne die Trebellianische Quarte
inne zu behalten, weil er von dieser rechtlichen Wohlthat
nichts wuste; so kann keiner von beyden etwas wieder
zurückfordern. Der Fehler liegt hier blos in rechtlicher
Unwissenheit, welche nach der L. 8. und 9. D. eoden in
compendiis, d. i. wenn vom Erwerb eines erlaub
ten Gewinnes die Rede ist, auch sogar solchen Personen
schadet, denen sonst die Gesetze die Unwissenheit bürger
licher Rechte verzeihen.
§. 21.
Jn wieferne können positive Gesetze auf vergangene Handlungen
gezogen werden?
Da ein positives Gesetz vor der geschehenen Bekannt
machung keine verbindliche Kraft hat, so folgt, daß Gesetze
dieser Art eigentlich nur zukuͤnftigen, nicht aber vergangenen
Hand