Full text: Bitschnau, Otto: Christliche Standes-Unterweisungen

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die Menge der weltlichen Gebräuche, Komplimente und Rücksichten, welche deine Ehren¬ 
stelle, der Zeitgeist, die Menschenfurcht dir aufgebürdet haben. Allein der hl. Johannes 
Chrysostomus warnt dich, mit solch thörichten Ausreden dich entschuldigen zu wollen, daß 
es dir unmöglich gewesen sei, deinen Taufeid zu halten und das Heil deiner Seele zu 
erwirken. Die hl. Isabella (siehe S. 8) war unglücklich verheiratet, der hl. Leopold (siehe 
S. 431) hatte eine sehr große Familie; der hl. Eligius (siehe S. 399) betrieb ein aus¬ 
gedehntes Geschäft; der hl. Thomas Beckel (siehe S. 452) begleitete eine hohe Ehrenstelle; 
der hl. Gregor der Große (siehe S. 250) hatte außerordentlich viele Geschäfte; der hl. Mau¬ 
ritius (siehe S. 391) lebte in schwierigen Amtsverhältnissen; unzählige andere: Ledige, 
Verheiratete, Vorgesetzte, Dienstboten, Reiche, Beamte . .. haben in der Welt gelebt, mit 
Weltmenschen täglich verkehrt und — dennoch ihre Christenpflichten mit heiliger Genauig¬ 
keit und Treue erfüllt. Warum hast du dies nicht gethan? 
c) Wirst du es probieren mit der Entschuldigung und sagen: „Ich hab's nicht 
recht gewußt, was alles Böse ich meiden, was alles Gute ich thun müsse, um in den 
Himmel zu kommen; es hat mir gemangelt an genügender Erkenntnis?" Nun, wir wollen 
diese Sache noch untersuchen. Kommet ihr Eltern, kommet ihr Lehrer, kommet ihr Kate¬ 
cheten, kommet ihr Seelsorger dieses unwissenden Katholiken, verantwortet euch: Habt 
ihr diesem Christen da nur Ungenügendes von Gott, dem Vater und dem Sohne und 
dem heiligen Geiste gesagt? Habt ihr den Unterricht über die zwölf Glaubensartikel, über 
die zehn Gebote Gottes, über die sieben heiligen Sakramente gegen ihn vernachlässigt? 
Habt ihr diesen Kläger da nicht wieder und wieder belehrt über die Häßlichkeit der Sünde 
und ihre bösen Folgen für Zeit und Ewigkeit; habt ihr ihn nicht ernstlich gewarnt vor 
der falschen Eigenliebe, vor den Argernissen der argen Welt, vor den Versuchungen des 
Teufels? Und ihr geweihten Glocken im hohen Turm, habt ihr Jahr um Jahr an den 
Sonn= und Festtagen die Gläubigen zur Teilnahme an der Predigt, an der heiligen Messe, 
an den lehrreichen und erbauenden Feierlichkeiten und Zeremonien wirklich so schwach¬ 
atmig und heißer gerufen, daß dieser Christ da euch nicht hören konnte und somit in 
Unkenntnis bleiben mußte? O du Blinder, erzürne deinen göttlichen Richter nicht noch mehr 
durch solch erbärmliche Ausflüchte! Bekenne es nur: „Fleißig hat man mich über die 
geoffenbarten Wahrheiten und Gnaden unterrichtet, aber ich habe sie eigensinnig und will¬ 
kürlich ausgelegt; die göttlichen und kirchlichen Gebote habe ich übertreten nicht aus Nangel 
an Kenntnis, sondern wegen Überfluß an Bosheit; im Gebrauche der heiligen Sakramente 
wollte ich gescheiter sein als meine heilige Nutter — die katholische Kirche; in manchen 
Stücken mangelte wirklich mir die nötige Erkenntnis, aber meine Unwissenheit war eine 
gewollte, selbstverschuldete, strafbare." 
b) Vielleicht erhoffst du günstigen Erfolg von deiner Anrede an den Richter selbst: 
„O Herr, ich hatte von der Wiege an ein sehr heißblütiges Temperament; schon in meinen 
 
 
Digitalisierungsvorlage: 
Bibliothek des B 
Max Planck Institute for Hluman Developme
	        
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