Full text: Bitschnau, Otto: Christliche Standes-Unterweisungen

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herzigen Mutter Maria habe ich mich wieder zur Freiheit der Kinder Gottes empor¬ 
gearbeitet." 
Allein, wie gedenkst du dich zu verteidigen, wenn du mit noch nicht reuevoll gebeich¬ 
teten, mit noch nicht absolvierten, mit noch nicht gebüßten Sünden, also noch nicht vor¬ 
bereitet, vor dem Richterstuhl Christi stehst? Völlig gewiß ist, daß du dich auf das 
Leugnen und Bemänteln nicht vertrösten darfst. Denn der göttliche Richter kennt deine 
ganze Lebensgeschichte, alle deine guten und bösen Gedanken, Begierden, Worte, Werke, 
unendlich besser, als du selbst; Er ist ja die Allwissenheit, die Nacht und Gerechtigkeit 
selbst: 
Vor Ihm nützet dir kein Sträuben, 
Kund wird dein geheimstes Treiben, 
Nichts wird unvergolten bleiben. 
Aber vielleicht bist du ein scharfsinniger Meister im Entschuldigen deiner Vergehen 
und Nachlässigkeiten und hast deine Kunst vor den Menschen mit seltenem Glück praktiziert? 
Und mit welchen Entschuldigungen hoffest du denn vor den Augen Jesu dich zu recht¬ 
fertigen? Laß einmal hören! 
a) Wirst du dich berufen auf deine angeborne Schwäche und Gebrechlichkeit und 
jammern: Schon in meiner Jugend haben Argernisse mich bethört, Versuchungen angefallen, 
Gefahren umtobt, so viele, daß meine Armseligkeit unterliegen mußte. Schon mein Vater 
hat mir ein schlechtes Beispiel in der Religion gegeben; meine Stiefmutter hat mit keinem 
guten Auge mich angeschaut; der Lehrer in der Schule hat mich parteiisch behandelt; 
lüderliche Kameraden haben mich zu boshaften Streichen verführt und 
— später bin ich 
über mich selbst nicht mehr Neister geworden." Allein da erheben sich wieder deine Ent¬ 
schuldigung die hl. Margarita von Cartona (siehe S. 215) und eine große Menge Heiliger 
jeden Alters und Geschlechtes! „Wir waren keineswegs pure Engel, sondern Menschen mit 
Fleisch und Blut, wie du, schwach und gebrechlich wie du; Argernisse und Versuchungen 
haben auch uns schmachvoll zu Falle gebracht; aber durch die Fürbitte Mariens und mit 
der Gnade Gottes haben wir die Sünder verabscheut, Buße gethan, Leiden und Trübsale 
willig angenommen und in der Nachfolge unseres heiligsten Erlösers ausgeharrt bis ans 
Ende. Der Weg zu den Hilfsmitteln, durch welche wir trotz der angebornen Schwäche, 
der vielen Argernisse und Anreizungen selig geworden sind, stand auch dir offen.“ 
b) Vielleicht wirst du den Versuch wagen und die Schuld deiner Fehltritte auf die 
zu großen Schwierigkeiten deines Standes und Amtes werfen, z. B. auf die mißglückte 
Heirat, auf die Sorgenlast wegen der vielen Kinder und Dienstboten, oder auf die ruhe¬ 
lose Spekulation im Handelsverkehr und Fabrikbetriebe, oder auf die mühevolle Ver¬ 
waltung des reichen Erbgutes und auf die gefährliche Vermehrung desselben, oder auf 
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Digitalisierungsvorlage: 
Bibliothek des Bi: 
Max Planck institute for Human Developme
	        
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