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Anterricht.
on dem Tage an, da der noch nicht dreißig Jahre alte, an allen
Glücksgütern des Erdenlebens sehr reiche Franz de Borgia, an dem
offenen Sarg der Kaiserin Isabella gestanden war, die Leiche dieser
noch jungen Fürstin im Zustand der grauenvollen Verwesung geschaut
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und den göttlichen Gnadenruf gehört hatte: „Bestelle dein Haus; denn
auch du wirst sterben und nicht leben,“ hat er nie mehr aufgehört, sich auf
sein Sterben vorzubereiten. „Übung macht den Meister" sagt ein altes
wahres Sprichwort. Wer oft flucht, oft streitet, oft sich berauscht, oft lügt,
oft betrügt . .. bringt es sicher zur Meisterschaft, welche man auch Laster
nennt. Wer oft betet, oft schweigt, oft duldet, oft sich selbst verleugnet, oft
fastet, oft kommuniziert . .. bringt es ebenfalls zur Meisterschaft, welche man
Tugend nennt. Warum sollte es nicht auch jeder Mensch, insbesonders jeder
Katholik, der sich oft auf sein gewisses Sterben vorbereitet, zur Meisterschaft
bringen, daß er im letzten Kampf mit dem Code den gewissen Sieg erringt
und ewig Sieger bleibt? Außer dem hl. Franz de Borgia haben ungezählte Nillionen
sich diese wichtigste, ehrenwerteste und einträglichste Neisterschaft, schön und gut zu sterben,
erworben und herrliche Probestücke geliefert. Der Weg, welchen der hl. Franz gewählt
hat, mag dir, lieber Leser, zu schwer, ungeeignet für deine Verhältnisse vorkommen; du
magst nicht deine Heimat, dein Erbgut, dein Geschäft verlassen und in ein Kloster gehen;
allein siehe, es giebt eine viel leichtere, für jeden Menschen passende und von jedem
Menschen, in was immer für einem Stande oder Verhältnisse er leben mag, ohne einen
Kreuzer Unkosten anwendbare Art und Weise, sich auf das Sterben mit sehr großem
Nutzen vorzubereiten; es ist die Methode der Frau Wäger, welche du auf folgende Weise
praktisch ausführen kannst und sollst:
1. Entschließe dich fest, wenigstens dreimal im Jahre, z. B. in der Charwoche,
um Mariä Himmelfahrt und an Weihnachten, wann zwei Feiertage zusammentreffen, dich
auf deinen Tod vorzubereiten.
2. Am Morgen des ersten Tages mache — eine Stunde lang — eine aufmerk¬
same Betrachtung über eines deiner vier letzten Dinge: Cod, Gericht, Hölle, Himmel,
z. B. über die Wichtigkeit des Todes, Gewißheit des Codes, Ungewißheit der Codes¬
stunde, Schrecknisse und Tröstungen auf dem Sterbebett; über das Gericht nach dem Code:
wer wird dich anklagen, wer wird dich verteidigen, wer wird dich richten, welches wird
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Max-Planck-Institut für Bildungsforschung