Full text: Bitschnau, Otto: Christliche Standes-Unterweisungen

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indem sie große Reichtümer aufhäufen, welche in ihrer toten Hand brach liegen und dem 
öffentlichen Nutzen entzogen werden, indem sie ihre Kräfte und Talente vergraben, sich 
dem fruchtbaren Familienleben entziehen, den Zuwachs der Bevölkerung vermindern u. s. w.!“ 
Solchen Weltweisen giebt hier im Namen aller Ordensleute ein Benediktiner aus dem Kloster 
St. Gallen, der selige Tutilo, die richtige, leichtverständliche Antwort. 
Cutilo, aus einem fürstlichen Geschlechte Deutschlands um das Jahr 840 ent¬ 
sprossen, machte großes Aufsehen unter seinen Zeitgenossen, obschon er den schwarzen 
Habit des Benediktinerordens trug, und sein Name ist heute noch weithin berühmt, während 
gar manche noch vor wenigen Jahren großsprecherische Staatsmänner und Politiker 
schon vergessen sind. Cutilo war ein Fürst im besten Sinne des Wortes. Er war 
ein Fürst an Ebenmaß seiner Glieder, ein Fürst an glänzenden Fähigkeiten des Geistes 
und an Vorzügen des Herzens, ein Fürst an Adel seiner Gesinnung und an Feinheit 
des Benehmens, ein Fürst an Reichtum des Wissens und an Gewandtheit in den Künsten, 
ein Fürst in der Reinheit seiner Sitten und in der Inbrunst seiner Frömmigkeit, ein 
Fürst in seiner Gottes= und Nächstenliebe, ein Fürst in der Demut und Selbstverleugnung. 
Die vornehme Welt schmeichelte dem aufblühenden Jüngling und drängte ihn zur An¬ 
nahme hoher Ehrenämter, täglicher Huldigungen und zum Genusse ausgewählter Ver¬ 
gnügungen. Er aber bedankte sich höflich für dieses gefährliche Anerbieten mit der festen 
Erklärung: „O Eitelkeit der Eitelkeiten und alles ist eitel, außer Gott, den Ewigen, 
Allmächtigen lieben und ihm allein dienen", bat um die Aufnahme in das damals weit¬ 
hin berühmte Benediktiner=Kloster St. Gallen und betrat opferwillig den königlichen Weg 
der Nachfolge Jesu Christi. Als Kaiser Karl der Dicke Kunde von dieser Standeswahl 
des hoffnungsvollen Fürstensohnes erhielt, soll er in seinem Arger darüber den Ratgeber 
verwünscht haben, welcher den Cutilo bethört und verführt habe, daß er seine seltenen 
Calente und vornehmen Eigenschaften, welche ihn eines Königsthrones würdig gemacht 
haben würden, unter dem Schmutze einer Mönchskutte vergrabe. Allein Cutilo lächelte 
über dieses kaiserliche Zürnen und sagte: „Ich habe doch kein Unrecht begangen, ich 
habe dem Kaiser gegeben, was des Kaisers ist: das Geld, die weltlichen Ehrenstellen, 
die sinnlichen Lustbarkeiten und alles, was man ums Geld kaufen kann; ich will aber 
auch gerecht sein gegen meinen höchsten Herrn und Gott, ich will Ihm geben, was Gottes 
ist: mein Herz". Im Kloster erfreute sich Cutilo des seltenen Glückes, den heiligen 
Narcellus, einen sehr gelehrten und liebreichen Ordenspriester, zum Professor in den 
philosophischen und theologischen Wissenschaften zu haben. Dieser Lehrer besaß das 
noch seltenere Geschick, seine Schüler nicht blos mit den Schätzen des Wissens, der um¬ 
fassenden Gelehrsamkeit zu bereichern, sondern auch zum eifrigen Verwerten der erworbenen 
Schätze für die Ehre Gottes und für das Wohl der Mitmenschen zu begeistern. Unter 
der Leitung dieses Heiligen machte Cutilo so ausgezeichnete Fortschritte, daß er durch 
Bitschnau, Standesunterweisungen. 
 
 
Digitalisierungsvorlage: 
Max Planck institute for Hluman Developme
	        
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