Full text: Bitschnau, Otto: Christliche Standes-Unterweisungen

165 
Unterricht. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
aa 
 
 
S 
S 
 
 
 
 
 
 
 
 
S 
 
0 
 
 
 
ie Lebensgeschichte des hl. Maurus hat dich jetzt gewiß angenehm 
 
befriedigt über die anfangs kühn scheinende Behauptung, daß der 
* 
 
 
 
christliche Gehorsam, der freie, selbstbewußte, aus der Liebe zu Gott 
geborene Wille zu thun, was Gott wohlgefällig ist, die Mutter aller Tugenden ist. Du 
hast jetzt selbst gesehen, wie der Gehorsam, den der junge Schüler des hl. Benedikt schon 
in den ersten Lehrjahren auf heldenmütige Weise übte, sein langes, segensreiches Leben 
geadelt und verherrlichet hat. Der Gehorsam ist daher nicht, wie die Welt jammert, eine 
Knechtschaft, nicht eine Entehrung der Menschenwürde, nicht eine Vernichtung seines höchsten 
und heiligsten Gutes — seiner Freiheit, sondern seine Zier und sein Glück. Gerade dem 
noch unerfahrenen Jüngling sagt der hl. Geist durch den Propheten Jeremias: „Es ist 
gut für einen Mann, wenn er das Joch des Herrn von Jugend auf getragen hat“ 
(Klagl. 3, 27). Zur Beleuchtung dieser Wahrheit betrachte: 
I. Die Notwendigkeit des Gehorsams. 
Von jedem einzelnen Menschen, sei er in der kaiserlichen Hofburg zu Wien, oder 
in einer ärmlichen Taglöhnerhütte auf dem Schwarzwalde geboren, gilt das große Wort 
des Psalmsängers: „Du, o Gott, hast ihn mit Herrlichkeit gekrönt" (Ps. 8, 6), und wir 
haben schon früher (Seite 91, 100, 109) diese Herrlichkeit und Ehre des Menschen und 
Christen betrachtet. Allein Gottes Wille und Anordnung ist es, daß kein Mensch hier auf 
Erden für sich als Einzelnwesen lebe, arbeite, bete. Gott erschafft jeden Menschen als eine 
selbständige Persönlichkeit nach seinem Ebenbilde und Gleichnisse, aber zugleich auch als ein 
soziales Wesen, als Glied einer Gesellschaft. Jeder Mensch verdankt der Gesellschaft sein 
Dasein, seine Erziehung, seine Bildung, sein Ansehen; er lebt und wirkt von der Wiege 
bis zum Grabe in der Gesellschaft mit Menschen, deren Hilfe er nicht entbehren und deren 
Einfluß er sich nicht entziehen kann. Jede Gesellschaft ist ein Verein von Menschen, 
der Verein von zwei Personen in der Ehe, von zwei oder mehreren Personen in der 
Familie, von vielen Personen im Staate und in der Kirche. Jede Gesellschaft hat ihre 
besondere, gemeinschaftliche Bestimmung und verfolgt ein bestimmtes, gemeinschaftliches Ziel, 
welches sie nur durch das einträchtige Zusammenwirken aller Gesellschaftsmitglieder erreichen 
kann und soll. Das einträchtige Zusammenwirken aller Gesellschaftsmitglieder muß sich 
notwendig in dreifacher Weise bethätigen: in Gehorsam, in Arbeit und in Gebet. Der 
bürgerliche und religiöse Gehorsam erhält jede Gesellschaft in ihrer Einheit, im Frieden 
und in der Wohlfahrt und setzt sie zugleich in die richtige Beziehung zum Staate und zur 
 
4 
Digitalisierungsvorlage: 
Bibliothek de 
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer