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Seele praktisch erfahren. Ja, auf der Hochschule des Kreuzes hat Er den Doktortitel
„Heiland der Welt“ in gerechtester Weise verdient und nur zu dem Zwecke Sich erworben,
damit für alle Zukunft die Leidenden am Leibe oder an der Seele Zutrauen zu Ihm
haben und seine sichere Hilfe annehmen. O so nimm doch die Freundschaft Jesu im
Cabernakel an; Er will dein festester Schirm, dein alles Gold und Silber an Wert weit
übersteigender Freund sein!
2. Jesus im Tabernakel ist dein treuester Freund. Er entzieht dir niemals,
keinen Tag, ja keine Stunde seine freundliche Gegenwart. Sein Herz ist weit geöffnet
von dem Eisen einer römischen Lanze und vor dieser Öffnung steht keine trotzige Schild¬
wache, wie vor dem Palastthore eines Fürsten, kein abwehrender Chexub, wie vor dem
Eingange in das verlorene Paradies. Jedermann, ohne Ansehen der Person, ohne Unter
schied des Standes oder der Bildung, hat freien Zutritt; insbesondere freundlich will¬
kommen sind die Armen, die Trauernden, die Notleidenden, die Verleumdeten und Ver¬
die Sünder.
folgten um der Gerechtigkeit willen und aus allen diesen die Armsten —
Doch was sage ich, daß du immer freien Zutritt zu Ihm findest? Im Gegenteil
Er bittet dich zu Sich, Er ist voll des Kummers um dich und ruft dir: „Komm zu Mir,
komm doch, Ich will dich erquicken, Ich will dir dein Joch sanft und deine Bürde leicht
machen, Ich will dir vorausgehen auf dem schmalen Wege zum Himmel. Ich bin wohl
zufrieden, wenn du Nir nur nachfolgest. Ich verlange gewiß nicht, daß du in einer ge¬
ringern Wohnung lebest als Ich, daß du dich ärmlicher kleidest als Ich, daß du schwärzeres
Brot essest als Ich, daß du anstrengender arbeitest als Ich, daß du ausdauernder betest,
schweigest, leidest als Ich. Schau den Diakon Stephanus, einen Jüngling von 22 Jahren,
an: er wird im Tempel zu Jerusalem von den Juden mit Wut gepackt, vor die Stadt
hinaus mit Gewalt gerissen und mit Steinen beworfen; aber ich habe ihn so erquickt,
daß mitten in dieser Codesnot sein Angesicht vor Freude glänzte, wie das eines Engels,
daß er für seine Mörder um Gnade betete! Betrachte den ebenso jungen Laurentius in
Rom. Der geldgierige Bürgermeister ließ ihn auf einen glühenden Rost legen und recht
langsam zu Tode martern; aber ich habe ihn so erquickt, daß er mitten in den pein¬
lichsten Qualen noch fröhlich scherzte: „Herr Bürgermeister, mein Leib ist jetzt auf der
einen Seite genug gebraten, wende ihn um, brate ihn auf der andern Seite noch fertig
und dann — laß ihn dir schmecken!“ O, daß ich die Wissenschaft des Erzengels Gabriel
besäße, um dir zu sagen, welch' treuen Freund du an Jesus im Cabernakel hast! So
lange du lebst, läßt Er sich durch keine Gleichgiltigkeit, durch keine Kälte, durch keinen
Undank, durch keinen Nißbrauch seiner Gnadengaben von dir wegdrängen. Beleidigest
du Ihn siebenzigmal siebenmal, ebenso oft bietet Er dir seine Hand zur Versöhnung.
Immer facht Er den in dir noch glimmenden Docht an, immer richtet Er dich, das ge¬
knickte Rohr, wieder auf. Und sage, wie behandelte Er dich bislang, wenn du — ein
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Bitschnau, Standesunterweisungen.
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