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Das Leben des barfüßigen Laienbruders in Valenzia preise ich als ein überaus glück¬
liches aus dem einzigen Grunde, weil er an Jesus im Tabernakel den besten und treuesten
Freund gefunden hat.“ Der hl. Geist lehrt: „Ein treuer Freund ist ein starker Schirm
und wer ihn gefunden hat, hat einen Schatz gefunden. Mit einem treuen Freunde ist
nichts zu vergleichen, und den Wert seiner Treue wiegt Gold und Silber nicht auf“
(Sirach 6, 14, cf.). Da ich mit aufrichtigem Herzen wünsche, daß du auf deiner Reise
in die Ewigkeit glücklich, immer glücklich seiest, so bitte ich dich: „Aimm die Freundschaft
an, welche Jesus im Tabernakel dir anbietet, und höre:
Jesus im Cabernakel ist dein bester Freund. Er stellt Sich ganz und ohne
1.
Vorbehalt dir zur Verfügung. Er giebt dir seine Tehren, seine Ermunterungen, wie seine
Warnungen ohne Schmeichelei; Er giebt dir die Schätze seiner Verdienste und Genug¬
thuungen; Er giebt dir sein Opfer und seine Sakramente; Er giebt dir seine gesalbten
Priester und Hirten; Er zeigt dir durch sein lebendiges, persönliches Beispiel den prak¬
tischen Gebrauch seiner Schätze; Er begnügt Sich nicht damit, daß Er mit der unwider¬
stehlichen Nacht seiner fünf Wunden für dich bittet: „Ich will, o Vater, daß, wo Ich
bin, auch mein Diener sein wird,“ (Joa. 12, 26), sondern Er giebt dir sogar sein Fleisch
zu essen und sein Blut zu trinken, damit du auf dem Wege nicht erliegest. Er —
die
Wonne der Engel — sagt dir, daß Er sehr gerne bei dir, dem hilfebedürftigen Nenschen¬
kinde sei. Du kannst in vielen Dingen dich täuschen und ihren Wert weit überschätzen;
aber niemals wirst du imstande sein, die Größe seiner Liebe, die Innigkeit seines Er¬
barmens gegen dich richtig zu würdigen und das Glück seines Verlangens zu messen, wie
sehr Er wünscht, dein Jesus, dein Heiland und Erlöser zu sein. Noch mehr ist Jesus
dein bester Freund nicht bloß, weil Er unermeßlich reich und unerschöpflich freigebig ist,
sondern auch ein im höchsten Grade erbarmungsvolles Herz hat. Weißt du wohl, welches
Herz ein erbarmungsvolles genannt zu werden verdient? Dein Beifall ist mir gewiß,
wenn ich erkläre: „Derjenige Christ hat ein erbarmungsvolles Herz, welcher die Kunst
besitzt, sich in die Notlage einer leidenden Person oder einer leidenden Familie so voll¬
ständig hineinzudenken und zu fühlen, daß er genau im eigenen Herzen leidend mitfühlt,
was die leidende Person oder die leidende Familie schmerzt; und welcher zugleich sein
Bestes thut, um dieselbe aus ihrer Notlage zu erretten, ihre Traurigkeit in Freude zu
verwandeln." Diese ehrwürdige Kunst besitzt Jesus in der höchsten Vollendung. Denn
Er hat auf der weltberühmten Hochschule des Kreuzes im hl. Lande 33 Jahre zugebracht;
Er hat an den Kranken, Blinden, Aussätzigen und Besessenen, an den Pharisäern und
Schriftgelehrten, an den Heriodianern und Juden, an dem blutschändenden König Herodes,
an dem neidischen Hohepriester Caiphas, an dem erbärmlichen Landpfleger Pilatus und
vn dem geldgeizigen Judas alle Arten menschlichen Elendes und Wehes nicht bloß gründ¬
lich kennen gelernt, sondern auch an Sich selbst, am eigenen Leib und an der eigenen
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