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gleichwohl dadurch geschehen, dass sie mit einer dem Inhalte
nach disparaten Vorstellung associirt ist, die ihr die zum Gleich¬
gewicht mit den andern erforderliche Unterstützung gewährt.
Das Erinnerungsbild der Räume z. B., die ich vor vielen Jah¬
ren als Schüler bewohnte, ist an sich nicht fähig, sich neben
den Anschauungen der Gegenwart zu halten; wird aber durch
eine verwandte Wahrnehmung der dumpfe moderige Geruch re¬
producirt, der damals jenen Aufenthalt nicht zu dem angenehm¬
sten machte, so tritt das Bild mit voller Lebendigkeit hervor
und verweilt in meinem Bewusstseyn. Eine gewisse Anstren¬
gung fordert aber eine solche Erinnerung immer doch, und
diese liegt darin, dass die gehaltene Vorstellung in einer ge¬
pressten Lage zwischen den sie zu verdrängen suchenden ent¬
gegengesetzten Vorstellungen und derjenigen disparaten sich be¬
findet, welche ihr die nöthige Unterstützung gewährt, So ent¬
steht ein Gefühl der Beklemmung.
3) Eine Vorstellung kann endlich auch, entgegenstehender
Hindernisse ungeachtet, sich frei erheben, dann nämlich, wenn
diese Erhebung unter dem Schutze einer ihr vollkommen gleich¬
artigen stärkern Vorstellung geschieht, welche die Hindernisse
vor jener beseitigt und ihr damit freie Bahn macht. Dann flie¬
hen die Hindernisse gleichsam wie von einem Zauber gescheucht,
gleich machtlosen Gespenstern der Nacht vor dem Lichte des
Tages. Unter solchen Umständen besitzt die aufsteigende Vor¬
stellung mehr Schnellkraft als sie verwenden kann, und diese
Art ihrer Bewegung giebt einem Lustgefühl den Ursprung
(vgl. §. 73).
Mit diesen Bemerkungen müssen wir uns hier begnügen;
denn die Bedingungen, unter welchen Gefühle des Guten und
Schönen entstehen, liegen zu tief, als dass sie sich hier auch
nur mit einiger Deutlichkeit entwickeln liessen.
145.
Die Begriffe von der Freiheit und Hemmung, dem
Gleichgewicht und den Bewegungen, dem Streben und
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung