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Dass auch der Tastsinn seine Täuschung, seinen Schein
hat, belegt schon jener alte Versuch mit einer kleinen Kugel.
die, nachdem man den Mittelfinger über den Zeigefinger geschla¬
gen, bei dieser Lage beider Finger zwischen sie gebracht wird,
und dann für das Gefühl sich verdoppelt zu haben scheint. Sie
wird nämlich jetzt von dem rechten Rande des Mittelfingers
und dem linken des Zeigefingers zugleich berührt. Was von
diesen beiden Rändern gleichzeitig berührt wird, das ist man
bei der natürlichen Lage der Finger gewohnt, zweien Körpern
zuzuschreiben, d. h. es hat sich mit dem Gefühl einer gleich¬
zeitigen Berührung dieser Fingerränder die Vorstellung zweier
Körper associirt, die nun auch auf die ungewohnte Lage der
Finger unwillkürlich übergetragen wird. Man kann diesen
Versuch auch auf folgende Weise abändern, die zugleich zur
Bestätigung der gegebenen Erklärung dient. Man bringe die
eben so übereinander geschlagenen Finger in den hohlen Flä¬
chenwinkel eines Kastens, so dass also jetzt die Ränder, welche
in der natürlichen Lage die innern sind, die beiden Wände,
welche den Flächenwinkel bilden, berühren. Reibt man sie
nun, langsam auf- und niederfahrend, in dieser Lage an den
Wänden des Kastens, so entsteht das Gefühl, als reibe man
die äusseren, einen erhabenen Flächenwinkel bildenden
Flächen des Kastens, also als hätte man Einen Körper zwi¬
schen den Fingern, indess doch die Finger zwischen den
Flächen des Winkels sich befinden.
49.
Dass die Association der Vorstellungen auch den äussern
Gefühlssinn beherrscht, beweist die bekannte Täuschung
solcher, denen ein Glied amputirt worden ist, das sie immer
noch zu fühlen meinen. Man ersieht hieraus, dass unser ört¬
liches Fühlen nur eine Täuschung ist, dass alles Fühlen nur
im Centralorgan des Gehirns statt findet, und dass die Bezie¬
hung auf eine bestimmte Oertlichkeit sich nur durch Associa¬
tion der Vorstellungen allmälig ausgebildet hat. Wir haben
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung