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seyn und also genau dahin weisen muss, von wo der Eindruck
herkommt, oder mindestens herzukommen scheint.
48.
In Beziehung auf die Nachweisung der Wirkungen der
Association und Reproduction bei den übrigen Sinnen werden
wir uns kürzer fassen können. Es ergiebt sich aus dem Vor¬
hergehenden von selbst, wie nahe dem Sehen das Tasten steht.
Dass die Blindgebornen durch Tasten räumliche Vorstellungen
erwerben, die mit denen der Sehenden völlig übereinstimmen.
dass das Gesicht hinsichtlich der Bedeutung des Gesehenen sich
sogar auf den Tastsinn stützt, ist bereits erwähnt worden.
Auch eignen sich die Blinden die zahlreichen räumlichen Me¬
taphern der Sprache ohne Schwierigkeiten an, und der sprach¬
liche Verkehr mit ihnen findet nicht das mindeste Hinderniss.
indess er bei den Taubstummen nur unvollkommen zu Stande
kommt; es associiren sich also bei ihnen die Namen, welche
räumliche Bedeutung haben, mit Vorstellungen des Getasts, wie
bei uns mit Gesichtsvorstellungen. Es muss jedoch hier ein
wichtiger Unterschied zwischen der Entwickelungsweise der
Blinden und Sehenden beachtet werden. Dass jene es in der
Ausbildung des Tast- und Gefühlssinns weiter bringen als wir
andern, ist bekannt. Saunderson unterschied mittels des Be¬
tastens echt römische Münzen von unechten, Marie Therese
von Paradies beurtheilte nach der Berührung antike Statuen.
ja selbst die Drapperie der Vorhänge und die Kleidung ihrer
Freundinnen u. dgl. m. Weniger beachtet zu seyn scheint aber,
dass die Blinden Vorstellungen des Getasts besitzen müssen,
die wir Sehenden schlechthin entbehren. Die Empfindungsvor¬
stellungen des Getasts treten bei uns durchaus nicht zu stetigen
Reihen, zu Anschauungen zusammen. Aus Glattem, Rauhem.
Scharfem, Spitzigem vermögen wir in der Vorstellung keine
Gestalt zusammen zu setzen. Giebt uns Jemand im Dunkeln
einen Gegenstand mit der Aufgabe, ihn seiner Gestalt und sei¬
nem Stoffe nach zu bestimmen, ihn überhaupt, wenn er uns
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung