Full text: Drobisch, Moritz Wilhelm: Empirische Psychologie nach naturwissenschaftlicher Methode

123 
seyn und also genau dahin weisen muss, von wo der Eindruck 
herkommt, oder mindestens herzukommen scheint. 
48. 
In Beziehung auf die Nachweisung der Wirkungen der 
Association und Reproduction bei den übrigen Sinnen werden 
wir uns kürzer fassen können. Es ergiebt sich aus dem Vor¬ 
hergehenden von selbst, wie nahe dem Sehen das Tasten steht. 
Dass die Blindgebornen durch Tasten räumliche Vorstellungen 
erwerben, die mit denen der Sehenden völlig übereinstimmen. 
dass das Gesicht hinsichtlich der Bedeutung des Gesehenen sich 
sogar auf den Tastsinn stützt, ist bereits erwähnt worden. 
Auch eignen sich die Blinden die zahlreichen räumlichen Me¬ 
taphern der Sprache ohne Schwierigkeiten an, und der sprach¬ 
liche Verkehr mit ihnen findet nicht das mindeste Hinderniss. 
indess er bei den Taubstummen nur unvollkommen zu Stande 
kommt; es associiren sich also bei ihnen die Namen, welche 
räumliche Bedeutung haben, mit Vorstellungen des Getasts, wie 
bei uns mit Gesichtsvorstellungen. Es muss jedoch hier ein 
wichtiger Unterschied zwischen der Entwickelungsweise der 
Blinden und Sehenden beachtet werden. Dass jene es in der 
Ausbildung des Tast- und Gefühlssinns weiter bringen als wir 
andern, ist bekannt. Saunderson unterschied mittels des Be¬ 
tastens echt römische Münzen von unechten, Marie Therese 
von Paradies beurtheilte nach der Berührung antike Statuen. 
ja selbst die Drapperie der Vorhänge und die Kleidung ihrer 
Freundinnen u. dgl. m. Weniger beachtet zu seyn scheint aber, 
dass die Blinden Vorstellungen des Getasts besitzen müssen, 
die wir Sehenden schlechthin entbehren. Die Empfindungsvor¬ 
stellungen des Getasts treten bei uns durchaus nicht zu stetigen 
Reihen, zu Anschauungen zusammen. Aus Glattem, Rauhem. 
Scharfem, Spitzigem vermögen wir in der Vorstellung keine 
Gestalt zusammen zu setzen. Giebt uns Jemand im Dunkeln 
einen Gegenstand mit der Aufgabe, ihn seiner Gestalt und sei¬ 
nem Stoffe nach zu bestimmen, ihn überhaupt, wenn er uns 
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer