Full text: Drobisch, Moritz Wilhelm: Empirische Psychologie nach naturwissenschaftlicher Methode

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Auffassung des Gesehenen, kein veränderter Standpunkt * kann 
hier etwas ändern, kein andrer Sinn belehrend zu Hülle kom¬ 
men, wie etwa wenn ich ein Bild eines Würfels für einen wirk¬ 
lichen Würfel halte, und mich die Betastung enttäuscht. Der 
gleiche Fall ist es mit der scheinbaren Bewegung der Himmels¬ 
körper. Sinnliche Wahrheit lehrte Ptolemäus, begriffliche, in¬ 
tellectuelle Copernicus. 
47. 
Die thätsächliche Zusammenwirkung des Gesichts und Ge¬ 
tasts, wobei dem Letztern ursprünglich die Rolle des Lehrers 
zufällt, der jedoch durch die überwiegenden Talente seines 
Schülers übertroffen wird, veranlasst uns hier, noch eine alte 
Frage zu erörtern, die, unsers Erachtens, jetzt von Physikern 
und Physiologen zu leicht und oberflächlich genommen zu wer¬ 
den pflegt, nachdem allerdings bedeutende Namen, wie Käst¬ 
ner, Lichtenberg, Rudolphi u. a., hierin den Ton angegeben 
haben. Wir meinen die Frage: warum wir die Gegenstände 
nicht verkehrt sehen, da doch in Folge der Durchkreuzung der 
Lichtstrahlen im Glaskörper hinter der Krystalllinse des Auges. 
die Netzhaut von ihnen ein verkehrtes Bild erhält. Dieser 
Frage pflegt man jetzt allen vernünftigen Sinn abzusprechen 
und sie damit abzufertigen, dass man sagt: da eben Alles sich 
verkehrt abbilde, so bleiben die Gegenstände unverändert in 
ihrer gegenseitigen Lage, und der Erfolg sey gerade derselbe, 
wie er seyn würde, wenn sich die Lichtstrahlen im Auge nicht 
durchkreuzten, der ganze Unterschied nur ein Unterschied der 
Bezeichnung, der aber nie von Bedeutung seyn, und zu Ver¬ 
Nach der mündlichen Äeusserung eines berühmten Astronomen 
soll indess die Täuschung verschwinden, wenn man sich an die Erde 
legt und so in der Ebene des Horizontes den aufgehenden Mond be¬ 
trachtet. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich hier die Täuschung 
wenigstens verändert, da ein Theil der Wahrnehmungen, die auf eine 
grössere Ferne deuten, wegfällt. Sieht wol der aufgehende Mond durch 
die Beine betrachtet eben so gross aus ? 
Max-Planck-Institut für 
ngsforschung
	        
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