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2. Theil. Die Lehre vom Gemüthe. Gefühls=Vermögen.
chen Uebelbefindens aus: jenes entsteht aus der leichten und lebhaften
dieses aus der erschwerten und gehemmten Wirksamkeit der körperlichen Kräfte.
Ist das Gefühl des körperlichen Wohl= oder Uebelbefindens auf einen gegenwär¬
tigen Zustand beschränkt und wird dieser nur dunkel und schwach vorgestellt
so heißt das körperliche Gefühl, wenn es angenehm ist, Behagen, wenn es un¬
angenehm ist, Mißbehagen Die somatischen Gefühle sind entweder regel¬
mäßige oder unregelmäßige, je nachdem sie entweder in einem gesunden
oder in einem krankhaften Zustande der Seele ihren Grund haben. Letztere kün
digen sich öfters durch seltsame abweichende Begierden an, als da sind: a) die
Begierde, Kalk, Kreide, Erde, Koth und dgl. zu genießen; b) die Antipathieen
und die seltsamen Appetite, insbesondere der Schwangern; c) der Priapismus, die
Nymphomanie u. s. w.
Zu den angenehmen somatischen Gefühlen gehört insbesondere 1) die durch
den Gesichtssinn bewirkte Empfindung des Lichtes. Schon die dem Sonnenlichte
entzogene Pflanze bleibt ohne ihre natürliche Farbe: ist sie in Zimmern einge¬
schlossen, so strebt sie überall nach dem Lichte hin, und selbst gewisse Feldblumen
schließen ihre Kelche, sobald die Sonne sich hinter Wolken verbirgt. Auch auf
den Geist hat das Licht einen unverkennbaren Einfluß: so fühlt sich derselbe
am Morgen, bei aufgehenden Lichte, frisch, belebt, heiter, klar und je mehr sich
die Sonne dem Untergange nähert, desto mehr nimmt auch die Regsamkeit, die
Klarheit, die Heiterkeit des Geistes ab. Hieraus wird begreiflich a) wie
man in gewissen philosophischen Systemen nicht bloß das Licht für eine Be¬
zeichnung des Guten und die Finsterniß für eine Bezeichnung des Bösen, son¬
dern das Licht sogar geradezu für das Princip des Guten und die Finsterniß
für das Princip des Bösen halten konnte. Auch wird hieraus begreiflich
b) wie man die Eigenschaften des Lichtes sogar zur Bezeichnung der Eigenschaften
des Geistes anwenden konnte, zumal unter einem Himmel, welcher jenes überaus
herrlichen Lichtglanzes des Orients sich nicht zu erfreuen hat. So sprechen wir
von einem klaren und unklaren Kopfe, von klarem Verstande, von klaren
und dunkeln Vorstellungen, von einem hellen Geiste, von einem lichten
Urtheile, von heiterer Gemüthsstimmung, von finstern Gedanken und dun¬
keln Gefühlen*). So wie aber das Licht überhaupt, so haben auch die Modi¬
ficationen des Lichtes, nämlich die Farben, auf das Gemüth einen entschei den¬
den Einfluß. So ist eine schreiende Farbe unangenehm, eine sanfte hingegen an¬
genehm: zwei Farben, die grell neben einander abstechen, finden wir häßlich,
zwei, die sich sanft in einander verlaufen, schön. Sogar das Thier wird durch
den Anblick gewisser Farben besänftigt, beängstigt oder gar in Wuth versetzt
*) Bonner Zeitschr. VI, 3. S. 182.