Full text: Psychologie. ¬Die Lehre vom Gefühls- und Begehrungs-Vermögen (Th. 2)

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Somatische Gefühle. § 103. 
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im Genusse gewahr wird, daß sie die Kräfte des Körpers vermindern, seiner 
Fortdauer nachtheilig sind und ihn unvollkommener machen, wie dieses z. B. bei 
dem Vergnügen des Trunkenen im ersten Anfange der Betäubung der Fall ist; 
auch gibt es b) sinnliche Lüste, die mit der deutlichen Vorstellung einer daraus 
für die Zukunft zu befürchtenden Unvollkommenheit verbunden sind, wie die¬ 
ses bei dem Vergnügen des Wollüstlings der Fall ist, welcher es sehr wohl weiß 
und empfindet, welche Zukunft ihm bevorsteht, nachdem das Gift des unerlaub¬ 
ten Genusses schon jetzt seinen Körper durchwühlt, seine Gebeine zernagt und 
seine Kräfte verzehrt*). In beiden Fällen nämlich ist das Gefühl ein gemisch¬ 
tes, in welchem der sinnliche Reiz stärker ist, als der sinnliche Abreiz, was be¬ 
sonders dann der Fall ist, wenn der Genuß des Reizes bereits dergestalt zur 
Gewohnheit oder sogar zum Bedürfnisse geworden ist, daß nicht allein die Ver¬ 
nunft, sondern selbst andere Rücksichten unserer sinnlichen Natur vergebens 
dagegen ankämpfen. Den niedrigsten Grad der sinnlichen Gefühle nehmen die¬ 
jenigen ein, an welchen fast nur der Körper Antheil hat und bei denen eine 
Wirksamkeit der geistigen Kräfte kaum bemerkbar ist. Sie heißen somatische 
Gefühle, obgleich es gar keine Gefühle gibt, an denen nicht auch die Seele 
einigen Antheil hätte. Die bloß körperlichen Gefühle haben zum Gegenstande a) 
die thierische Masse überhaupt, die flüssige und die feste, insbesondere die orga¬ 
nisirte, den dichten oder lockeren Zusammenhang, die Stärke oder Schwäche, die 
Spannkraft oder Schlaffheit der Fibern, sowohl im ganzen Körper, als auch, bei 
vorkommenden Ursachen und Veranlassungen, in einzelnen Theilen des Körpers; 
b) vermittelst des Zusammenhanges der Gefäße mit den Nerven die Menge des Blutes 
und überhaupt der Säfte, die jedesmal in und außer dem Umlauf sind; o) die Be¬ 
schaffenheit der Säfte überhaupt sowohl als auch in einzelnen Theilen des Kör¬ 
pers, die angenehm oder unangenehm empfunden werden, je nachdem sie 
insbesondere rein und mild, oder unrein und scharf sind, d) den Zustand. 
d. 1. die Stärke und Schwäche des Magens, der Gedärme, der Abson¬ 
derungs= und Ausführungswerkzeuge und aller Theile, welche zur Erhal¬ 
tung der lebendigen und mechanischen Kräfte beitragen. Insbesondere ist das 
Gefühl des vollkommenen oder unvollkommenen Zustandes der Verdauungswerk¬ 
zeuge (namentlich des Magens) eine sehr ergiebige Quelle angenehmer oder un¬ 
angenehmer körperlicher Gefühle. Zu den körperlichen Gefühlen gehören noch 
insbesondere das Gefühl des Hungers, des Durstes und der Sättgung. Der 
) Diese beiden Eerschrungen sele Ferusalem (Which. Aufs heraugegeben von Eeslig 
S.60) der Theorie Mendelshns entgegen, nach welcher das inliche Vergnigen aus der 
Vorstellung einer verbefferten Leibesbeschaffenheit oder einer erhöh= 
ten Vollkommenheit des Körpers entsteht 
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