Full text: Psychologie. ¬Die Lehre von dem Erkenntnißvermögen (Th. 1)

Die allgemeinen Formen des sinnlichen Anschauens. § 8. 
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und der Zeit sich nach und nach ausbilden und erweitern und zwar an der 
Hand der Erfahrung, wie wir dieses in Beziehung auf den Raum sehen bei 
einem Menschen, der von Jugend auf in einem stockfinstern Gefängnisse gesessen 
hat und nun später mit der Welt in Verkehr tritt, und wie wir dieses in Be¬ 
ziehung auf die Zeit sehen, nicht allein bei den lächerlichen Mitteln kleiner 
Kinder, um sich einen kleinen Zeitabschnitt, z. B. eine Woche vorzustellen, 
sondern selbst bei gebildeten Völkern, welchen, in Ermangelung passender 
Instrumente der Zeitmessung, unsere gewöhnlichen Zeitrechnungen dunkel oder 
gar unbekannt sind; 3) daß die Vorstellungen des Raumes und der 
Zeit nur unter der Voraussetzung der gleichzeitig eintretenden Vorstellung 
von ausgedehnten und veränderlichen Objecten von uns festgehalten wer¬ 
den können, wogegen sie ohne diesen sinnlichen Stützpunkt höchstens als Phan¬ 
tasie=Vorstellungen noch einen Augenblick gegenwärtig bleiben, dann aber in 
Nichts verschwinden. Wenn aber auch die Vorstellungen des Raumes und der 
Zeit wenigstens zum Theile empirischen Ursprunges, so sind sie doch ursprüng¬ 
lich keine empirischen Begriffe, weil wir nicht Raum und Zeit als unter¬ 
scheidende Merkmale ihres Gegenstandes von ihrem Gegenstande abziehen und 
diese zu einer Totalvorstellung vereinigen, sondern Raum und Zeit Bedingun¬ 
gen sinnenfälliger Objecte ohne Unterschied, und empirische Begriffe überhaupt erst 
dann möglich sind, nachdem wir die Vorstellungen des Raumes und der Zeit 
bereits haben. Eben so wenig sind aber auch die Vorstellungen des Raumes und 
der Zeit bloße Phantasievorstellungen, d. i. sinnliche Dichtungen, weil 
jedes Phantasiebild ein Werk der Willkür ist, die Vorstellungen des Raumes und 
der Zeit aber bei der Wahrnehmung sinnenfälliger Objecte sich uns von selbst 
mit absoluter und unwiderstehlicher Nothwendigkeit aufdringen. Sie sind somit 
sinnliche Anschauungen, in der Bedeutung nämlich, daß sie sich mit unsern 
Vorstellungen sinnenfälliger Objecte gleichzeitig, und zwar nothwendig und von 
diesen unzertrennlich einfinden, daß sie uns das betreffende sinnliche Object in 
einer bestimmten, von uns unabhängigen Form erscheinen lassen, und daß diese 
Form zu unserer sinnlichen Anschauung eben so wesentlich gehört, als auch das 
Naterial dazu gehört, welches in diese Form aufgenommen ist. Darum sagen 
wir auch, daß wir Raum und Zeit anschauen und nennen darum auch die 
Vorstellungen des Raumes und der Zeit selbst Anschauungen, womit voll 
kommen besteht, daß wir uns auch weiterhin durch das Denkvermögen, also be¬ 
griffsmäßig, des Raumes und der Zeit bemächtigen können, was sogar nothwen¬ 
dig ist, wenn es Wissenschaften geben soll, die entweder den Raum und die Zeit 
selbst zu ihrem Gegenstande haben, oder doch auf Raum und Zeit gegründet sind. 
Wir haben somit eine dreifache Vorstellung des Raumes und der Zeit und zwar 
a) eine apriorische Vorstellung, so zwar, daß die Vorstellungen des Raumes 
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
	        
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