Full text: Psychologie. ¬Die Lehre von dem Erkenntnißvermögen (Th. 1)

5 
1. Begriff der Psychologie. § 1. 
auf die psychische Seite gerichtete Untersuchung endlich und schließlich 4) den 
reinen Geist im Menschen d. h. den Geist an sich, nämlich in seinem Gegen¬ 
satze zum Körper: hier entsteht die Pneumatologie d. i. die Wissenschaft von 
dem menschlichen Geiste als einem zwar mit dem Körper verbundenen, doch für 
sich bestehenden Wesen, oder kürzer, die Wissenschaft von dem Menschengeiste. 
Anatomie und Physiologie, Psychologie und Pneumatologie sind somit die der 
Anthropologie untergeordneten Disciplinen. Diese Eintheilung der Anthropologie 
ist aber wesentlich nicht verschieden von einer andern, nach welcher sie in So¬ 
matologie und Psychologie, jene in Anatomie und Physiologie, diese 
in empirische und in rationale Psychologie zerfällt. Dem bisherigen zufolge 
ist also die Psychologie eine Lehre von der menschlichen Seele, oder aus¬ 
ührlicher: sie ist eine Lehre von dem menschlichen Geiste, aber nicht insofern 
dieser als ein für sich bestehendes, sondern sofern er als ein mit dem menschlichen 
Leibe zur Einheit der Person verbundenes Wesen in Betracht kommt. Die mensch¬ 
liche Seele wird auch noch wohl mit andern Namen, nämlich mit denen des 
Ich, des Geistes, des Gemüthes bezeichnet. Hier geht die Benennung Seele 
mehr auf die innere, den Körper belebende, zugleich der Empfindung und Vor¬ 
tellung fähige Kraft. Die Benennung Ich geht in dem gewöhnlichen Sprach¬ 
gebrauche mehr auf den ganzen, körperlichen und geistigen Menschen, im gelehr¬ 
ten mehr auf das selbstbewußte, die innern Zustände tragende oder wirkende 
Subject. Die Benennung Geist geht mehr auf das unkörperliche, vernünftige 
und freie Princip im Menschen: die Benennung Gemüth endlich geht mehr auf 
das Princip seiner Gefühle und Begierden. 
Die Psychologie ist verschieden 1) in Ansehung ihres Inhaltes; 2) in An¬ 
sehung ihrer Form. Ihrem Inhalte nach zerfällt die Psychologie in empirische 
und in rationale, je nachdem sie entweder aus Erfahrungserkenntnissen oder 
aus Vernunfterkenntnissen besteht. Jene bestimmt also die verschiedenen Wir¬ 
kungen, Aeußerungen, Verrichtungen unserer Seele, die Eigenthümlichkeit, die 
Gesetzmäßigkeit, die Ordnung, den Zusammenhang dieser Verrichtungen, ohne auf 
die eigentliche Natur der Seele selbst sich einzulassen, wohingegen diese die Seele 
an sich in Untersuchung nimmt, insbesondere darüber Auskunft verlangt, ob die 
Seele ein körperliches oder ein geistiges, ein freies oder ein unfreies, ein sterb¬ 
liches oder ein unsterbliches Wesen sei. Diese Eintheilung ist zuerst von Chri¬ 
stian Wolff (Logica § 111—112) mit Bestimmtheit festgestellt worden und es 
ist falsch, was Fries (Psych. Anthropol. S. 3) behauptet, daß Wolff unter der 
rationalen Psychologie eine Lehre von den allgemeinen Gesetzen der 
Seelenerscheinungen verstanden habe, was allerdings schon deshalb fehler¬ 
haft sein würde, weil diese Erklärung der rationalen Psychologie eben so gut 
auf die empirische passen würde. Ob es übrigens eine rationale Psychologie gebe, 
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer