Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
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1. Theil. Die Lehre vom Geiste. Innerer Sinn.
d. i. intelligent-freien Ursache zu begreifen sind. Dieser Schluß tritt aber ein in
demselben Momente, in welchem der noch schlummernde Menschengeist durch einen
andern bereits selbstbewußten Geist, bezüglich durch einen Menschengeist vermit¬
telst des lebendigen Wortes aus dem Zustande seiner Unbestimmtheit in den der
Bestimmtheit versetzt wird: d. h. mit der Vorstellung des Ich tritt zugleich ein
die Vorstellung des Du und von nun an steht dem Kinde die Wirklichkeit an¬
derer, von ihm verschiedener, aber der Wesenheit nach mit ihm gleicher Menschen¬
geister außer Zweifel. So wie nämlich der Ichgedanke nichts als der Abschluß
jenes Processes ist, wodurch der in der Bewußtseinsentfaltung begriffene Mensch
sich als Substanz und Ursache seiner innern Zustände ergreift, so kann auch
dasjenige, was die bewirkende Ursache dieser Bewußtseinsentfaltung ist, eben¬
falls nur als Substanz und Ursache innerer Zustände, d. i. nur als Ich, aber
nicht als eigenes und folglich nur als fremdes Ich gedacht werden. Die Dinge
der Außenwelt sind entweder unsere eigene Leiblichkeit, oder die von ihr selbst
verschiedenen äußern Dinge. Alles dieses, selbst seine eigenen Zustände, z. B. die
heftigsten körperlichen Schmerzen, hält der Geist für etwas ihm selbst Aeußeres,
Fremdes, Heterogenes, so wie der Geist nur sich selbst und was zu seiner We¬
enheit gehört, für sein wahres, unveräußerliches Eigenthum zu halten vermag,
und es dem Geiste rein unmöglich ist, sich als selbstbewußtes Subject mit irgend
einer Materie, auch der feinsten, zu identificiren. Zur Erkenntniß seiner Leib¬
lichkeit überhaupt gelangt der Mensch vermittelst seines Gesichts= und Tastsin¬
nes gerade so, wie er auch zur Erkenntniß anderer äußern Dinge gelangt, doch
mit dem gewichtigen Unterschiede, daß er hier Veränderungen in oder an sich
bemerkt, für deren Causalität oder doch für deren Träger der Geist sich selbst
wenigstens theilweise deshalb halten muß, weil er bemerkt, daß die Entstehung
oder die Abhaltung dieser Veränderungen mehr oder weniger von seiner eigenen
Willkür abhängig ist. Zur Erkenntniß seiner einzelnen Leibesglieder, z. B.
seiner Hand, seines Fußes, seines Auges, gelangt der Mensch durch die Wahr¬
nehmung, daß gerade diese Theile es sind, worüber er willkürlich gebieten kann,
um eine Empfindung heranzubringen oder um dieselbe zu entfernen; zur Erkennt¬
niß seiner einzelnen Empfindungsstellen endlich gelangt der Mensch durch
die Wahrnehmung gewisser körperlicher Verändernngen in einem bereits bekann¬
ten Leibesgliede, für deren Grund er aber das ganze Leibesglied oder andere
Theile desselben deshalb nicht halten kann, weil die der Willkür unterworfene
Behandlung derselben auf die Entstehung, die Vergrößerung oder Verminderung
der Veränderung keinen Einfluß hat. Das Kind hat zuerst nur eine ganz unbe¬
stimmte Vorstellung seines Körpers; erst später entsteht die Vorstellung seiner ein¬
zelnen Leibesglieder, die ihm anfangs völlig fremde Gegenstände sind, und noch
weit später entsteht die Vorstellung seiner Empfindungsstellen, hinsichtlich welcher