Full text: Psychologie. ¬Die Lehre von dem Erkenntnißvermögen (Th. 1)

Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 
1. Theil. Die Lehre vom Geiste. Innerer Sinn. 
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Reinheit und als Princip aller seiner Thätigkeiten denkend zu erfassen vermag. 
Die Vorstellung des Ich ist hier Idee, d. i. Vorstellung eines übersinnlichen 
Objectes, so wie auch alle diejenigen Vorstellungen Ideen sind, welche der Geist 
von dem Punkte des Ichgedankens aus bildet und realisirt. 
3) Vereinigung des Individual= und des Selbstbewußt¬ 
seins. Weil sowohl das Individual= als das Selbstbewußtsein die Natur des 
Bewußtseins überhaupt an sich tragen, weil das Individual= oder das sinnliche 
Bewußtsein nach dem Selbstbewußtsein oder dem vernünftigen Bewußtsein hin¬ 
strebt und jenes ohne dieses weder Vollständigkeit noch Befriedigung hat, das Selbst¬ 
bewußtsein hingegen durch ein sinnliches Bewußtsein geweckt werden muß, und 
jenes diesem erst seine Vollständigkeit und seine Befriedigung gibt, so unterliegt 
die Vereinigung des Individualbewußtseins mit dem Selbstbewußtsein so wenig 
einer Schwierigkeit, als das Selbstbewußtsein nichts als eine Fortsetzung und Vollen¬ 
dung des ihm gelieferten und von ihm aufgenommenen bloßen sinnlichen Bewußt¬ 
seins ist. Durch die Vereinigung beider Arten des Bewußtseins wird auch das bloße 
Individualbewußtsein zum Selbstbewußtsein erhoben. Durch die Vereinigung des 
Individual= oder des bloßen Naturbewußtseins mit dem Ichbewußtsein zu einer Form¬ 
Einheit entsteht ein gemischtes, und zwar unser menschliches Bewußtsein: 
dieses haben wir uns ganz einfach zu denken als eine Zusammensetzung des bloßen 
Naturbewußtseins mit dem Bewußtsein des Geistes als solchen, so zwar, daß im 
Geistesleben das bloße Naturbewußtsein zu dem des Geistes erhoben und 
diesem untergeordnet wird, wogegen im Naturleben das umgekehrte Verhält¬ 
niß stattfindet. Bei dieser Formeinheit des menschlichen Bewußtseins als des 
Productes zweier Principien, der bloßen Natur und des Geistes im Menschen, 
bleibt auch die Persönlichkeit des Menschen eine und dieselbe, wie ja 
der Mensch nur eine einzige Einheit ist, die er als Siegel wie der einen so der 
andern Region seines Doppellebens aufdrückt, obgleich nur der Geist, nicht die 
Natur Ichheit ist. In diesem Sinne sagen wir eben so richtig: ich bin krank, 
als: ich bin frei, obgleich nicht der Geist, sondern nur der Körper krank oder 
gesund ist. Somit besteht denn weder das Individualbewußtsein, noch das Ich¬ 
bewußtsein in dem Menschen in völliger Keinheit. Darum finden sich auch in 
dem finnlichen Bewußtsein des Menschen immer geistige Spuren und um¬ 
gekehrt; darum sind wir auch kaum im Stande, uns entweder von ei¬ 
nem bloß sinnlichen oder einem rein geistigen Bewußisein eine ungetrübte 
Vorstellung zu machen. Daß in diesem gemischten Bewußtsein bald der eine, 
bald der andere Factor der Menschennatur stärker auftreten, und daß sich 
hiedurch das Bewußtsein verschiedentlich gestalten könne, ist von selbst klar. 
Das Selbstbewußtsein ist die letzte Quelle aller menschlichen Wahrheit und Ge¬ 
wißhet, die Aussprüche desseben sind uns unbezweifelbar, jeder Zweifel enfsteht
	        
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