Full text: Psychologie. ¬Die Lehre von dem Erkenntnißvermögen (Th. 1)

Aufmerksamkeit. Vergleichung insbesondere. § 27. 
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von unsern christlichen Vorstellungen und Uebergängen ganz abzusehen, doch würde 
es unrecht sein, jene nur nach diesen beurtheilen zu wollen. Durch die Ab¬ 
straction und Reflexion, insbesondere durch die höhere, wird uns der Vortheil 
gewährt, daß a) unser Denken abgekürzt und erleichtert, daß b) unsern Vorstel¬ 
lungen Reinheit, daß ihnen e) Klarheit und Deutlichkeit verschafft wird. Insbe¬ 
sondere werden durch sie Begriffe und überhaupt ein eigentliches Denken mög¬ 
lich. Doch ist die Abstracton und Reflexion immer an eine Grenze gebunden. 
welche sie nicht überschreiten darf: sie darf nämlich von einer Vorstellung nicht 
das völlig trennen und zerstören wollen, was wesentlich damit verbun¬ 
den ist, wofern die Vorstellung noch Realität haben soll. So hebt alles Phi¬ 
losophiren, welches mit dem berühmten reinen Nichts der Hegelschen Philosophie 
beginnt, sich selbst auf, weil das reine Nichts weder gedacht wird, noch gedacht 
werden kann, indem es sowohl das Gedachte, als das Denken selbst aufhebt. Ei¬ 
nem durch solche Läuterung entstandenen Nichts kann man wohl allerlei prun¬ 
kende Namen geben, aber zu einem Etwas wird es dadurch niemals für uns 
werden. Es ist also erforderlich, daß die Abstraction das Wesen der Sache nicht 
zerstöre und daß die Reflexion es nicht einseitig auffasse: insbesondere ist er¬ 
forderlich, daß die Ergebnisse der Abstraction und Reflexion sich am Ende wieder 
in einem und demselben Bewußtsein vereinigen lassen. — Die Auf¬ 
merksamkeit kann entweder hingerichtet werden auf einen Gegenstand, und 
sie heißt dann Aufmerksamkeit schlechtweg; sie kann auch verwendet wer¬ 
den auf mehrere Gegenstände zugleich, um inne zu werden, ob und in welchen 
Merkmalen die Gegenstände übereinstimmen oder nicht übereinstimmen, sich ähnlich 
oder unähnlich sind, und sie heißt dann Vergleichung insbesondere. Ausge¬ 
hend von dem Grundsatze, daß es in der (sinnlichen) Welt keine absolut gleichartige 
und keine absolut verschiedenartige Gegenstände gibt, ist der Verstand bei der Verglei¬ 
chung bloß auf Aufindung von Aehnlichkeiten und Unähnlichkeiten gerich¬ 
tet. Zum Vergleichen sind drei Stücke erforderlich: 1) zwei oder mehrere Gegen¬ 
stände; 2) Beobachtung eines jeden derselben; 3) einige Rücksicht auf deren Ei¬ 
nerleiheit und Verschiedenheit. Die Vergleichung ist nicht möglich, ohne daß die 
Gegenstände, welche verglichen werden sollen, wenigstens einigermaßen 
bekannt sind und sie ist um so fruchtbarer, je mehr sie bekannt sind. Auch das 
Vergleichen ist entweder ein niederes oder ein höheres, je nachdem es ent¬ 
weder durch sinnliche Eindrücke oder durch Zwecke des Verstandes bestimmt wird 
So ist das gewöhnliche Vergleichen eines Ochsen mit einem Esel ein niederes 
das Vergleichen des Mitgefühls und der Theilnahme ein Höheres. Zum höhern 
Vergleichen ist insbesondere noch erforderlich 1) klare Auffassung und genaue 
Firirung der zu vergleichenden Gegenstände; 2) Leitung der Aufmerksamkeit durch 
Verstandeszwecke, insbesondere genaue Bestimmung des Vergleichungspunktes 
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
	        
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