Full text: Reuss, Siegfried: Evaluation des Ansatzes von Lawrence Kohlberg zur Entwicklung und Messung moralischen Urteilens

71 
regeln zum Ausdruck kommt, hat den Nachteil, daß den Maximalwerten nicht angemessen 
Rechnung getragen wird. Während das Interviewverfahren auf die Obergrenze der 
moralkognitiven Leistungsfähigkeit zielt, tendiert das Verfahren zur Ermittlung von 
aggregierten Stufenwerten dahin, diese oberste Leistungsgrenze zugunsten von Modalwerten 
zu unterschlagen. Unsere Analysen zeigen, daß beim Aggregationsprozeß Maximalwerte von 
Personen in nicht unerheblichem Ausmaß neutralisiert werden. Um den Maximalwerten 
besser gerecht zu werden, müßte sich die Bestimmung von globalen Kompetenzmaßen an 
schwächeren Kriterien orientieren. Wie die entsprechenden Kriterien festzulegen sind, ist eine 
schwierige Frage. Wir haben bis jetzt keine zufriedenstellende Antwort gefunden. 
Die von uns ermittelten Ergebnisse lassen zum anderen Kohlbergs Bestimmung von Postkon- 
ventionalität fraglich erscheinen. Daß die Anteile postkonventioneller Stufen nicht nur bei den 
Form-Werten, sondern auch bei den Issue- und CJ-Werten insgesamt recht niedrig sind, ist 
auch Ausdruck einer problematischen theoretischen und operationalen Definition von Post¬ 
konventionalität bei Kohlberg .Wir haben in Kapitel 2.1 zu zeigen versucht, daß einige der 
von Kohlberg als konventionell eingestuften Cls im Manual postkonventionelles Denken zum 
Ausdruck bringen. Der relativ geringe Gesamtanteil postkonventioneller Stufen auf der Ebene 
der Issue- und Form-Werte ist also nicht nur auf die Neutralisierung von postkonventionellen 
CJ-Werten durch den Prozeß der Aggregation zurückzuführen, sondern auch auf eine 
problematische Konzeptualisierung postkonventionellen Denkens. Während die 
Stufenbestimmungen postkonventionellen Urteilens die Anzahl der kodierten 
postkonventionellen CJs schon stark einschränken, haben die Verrechnungsregeln zur Folge, 
daß der Anteil postkonventioneller Werte weiter reduziert wird. Um den postkonventionellen 
Urteilskompetenzen besser gerecht zu werden, ist es notwendig, Postkonventionalität neu zu 
bestimmen und den Anteil postkonventioneller CIs im Manual zu steigern. Wir teilen damit 
die Intentionen von Autoren wie Snarey und Shweder, gehen jedoch bei der Neubestimmung 
der postkonventionellen Stufen einen anderen Weg. 
3.2.2 Intraindividuelle Konsistenz der Stufenwerte 
Von Kohlberg und den an ihm orientierten Autoren wurde die Frage nach der 
intraindividuellen Konsistenz der Stufenwerte bislang kaum gestellt (vgl. Boyes & Walker 
1988; Eckensberger, 1995). Allein für die CJ-Werte wurden Annahmen über die 
Stufenkonsistenz formuliert und empirische Analysen durchgeführt. Hypothesen und 
Untersuchungen zu den Issue-Werten fehlen (s. aber Teo, Becker & Edelstein, 1995).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer