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Der große Aufwand unseres Verfahrens erscheint allerdings voll
gerechtfertigt schon durch jenen ersten Ertrag (auf den unser
eigenes Forschungsinteresse von vornherein ausgerichtet war):
Während man nach Auswertung auf der Basis der gängigen
Kontrollskalen lediglich zwei oder drei Skalenwerte erhält,
anhand derer Personen beispielsweise summarisch als weit unter-
durchschnittlich, durchschnittlich, überdurchschnittlich oder
weit überdurchschnittlich internal, external und fatalistisch
klassifiziert werden (vgl. z.B. KRAMPEN 1981), können wir die
komplexe Vorstellungswelt einer Person in ihrer Struktur und in
allen Einzelheiten valide beschreiben. Um es noch einmal mit
unseren früheren Worten zu sagen: Wir erhalten eine sehr große
und wirklichkeitsgetreue "kognitive Landkarte" welche nicht
bloß Teile wie die Sicht der Person von sich selbst
(Identität), von Handeln und von Umweltkonstellationen inner-
halb diverser Lebens- und Erfahrungsbereiche in Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft abbildet, sondern welche auch die subjek-
tiven Gewichtungen und vielfältigen Relationen zwischen diesen
Teilen genau und richtig wiedergibt.
In standardisierten Untersuchungen zu Kontrollüberzeugungen
werden individuelle Besonderheiten (sofern sie sich nicht di¬
rekt auf die in der Regel relativ eng definierte "Dimension"
beziehen) als "Störgröße" oder als "Fehlervarianz" behandelt,
und man versucht konsequenterweise, sie zugunsten einer hohen
"Merkmalsvarianz" entsprechend auszugleichen, zu nivellieren
bzw. konstant zu halten. Demgegenüber interessieren uns indivi¬
duelle Teilaspekte des Kontrollbewußtseins und deren Relationen
zueinander gerade in ihrer spezifischen, individuell-charakte-
ristischen Bedeutung für die Identität und in ihren motivatori-
schen Funktionen. Wie die Fallstudien bei HOHNER (1987a) sowie
bei HOFF, LEMPERT und LAPPE (1991) zeigen, können beispiels¬
weise internale Überhöhungen im subjektiven Kontrollkonzept
wichtige Funktionen für die Aufrechterhaltung der eigenen Iden¬
tität haben. Die Verfahren, die zu einem derart umfangreichen
Wissen über den einzelnen Fall führen, werden bekanntlich auch
als "idiographisch" bezeichnet. Bei einer solchen Etikettierung