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die bei ihren Schulhofbeobachtungen dem erwähnten Trugschluß
verfallen sein könnte, daß miteinander tobende Kinder auch mit-
einander befreundet sind oder eine Gruppe bilden. Zusätzlich
gibt es einige Belege in der amerikanischen soziometrischen
Literatur dafür, daß Beziehungsgeflechte von Jungen dahin
tendieren, größer zu sein als die von Mädchen (D. Eder/M. T.
Hallinan 1978). Da in diesen Befragungen die Konstanz von
Beziehungen unterschätzt wird und da die mit wenigen Frage¬
stimuli auskommenden soziometrischen Messungen nach unserer
Erfahrung nicht alle Beziehungen und somit auch nicht die
gesamten Beziehungsnetze erbringen, scheint uns die These der
geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Zahl und Intensität
von Freundesbeziehungen auch für die Vereinigten Staaten nicht
abschließend bewiesen zu sein. Unsere eigenen Ergebnisse zeigen
für eine Berliner Grundschule deutlich, daß Mädchen im Durch-
schnitt nicht weniger und nicht intensivere Beziehungen haben
als Jungen.
4.1.2 Interaktionen zwischen Mädchen und Jungen
Das Alter zwischen sechs und zwölf Jahren gilt in der Literatur
als eine Zeit, in der soziale Mädchen- und Jungenwelten ausein¬
andertreten. In den USA wurde eine Geschlechtssegregation auch
im Kindergarten festgestellt (vgl. die Übersicht bei E. E.
Maccoby/C. N. Jacklin, im Druck). Auch in Deutschland wird im
Kindergarten- und Vorschulalter schon häufiger zu Kindern des
eigenen Geschlechts Kontakt aufgenommen, aber bei längeren
Interaktionen kaum nach Geschlecht diskriminiert (U. Schmidt-
Denter 1985, S. 61 und 66). In dieser vorschulischen Alters¬
phase kann man allerdings nur in einem sehr eingeschränkten
Sinne von Gruppenbildung und Freundschaft sprechen. Soweit es
gruppen- und freundschaftsähnliche Beziehungen gibt, scheinen
sie in Deutschland aber ebenso zwischen Mädchen und Jungen wie
zwischen Kindern gleichen Geschlechts vorzukommen.