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ihres höheren Ausbildungsniveaus und ihrer verstärkten sozialen
Aufstiegstendenz entwickeln viel mehr Frauen höhere berufliche
Erwartungen (KöNIG, 1974:259). In diesem Prozeß werden sie
zunehmend unabhängiger vom Mann als Versorger, weil ihnen selbst
in höherem Maße alternative Erwerbsmöglichkeiten zur Verfügung
stehen (KöNIG, 1974,377).
NAVE-HERZ (1967) geht ebenfalls von der Annahme aus, daß
Veränderungen im Bildungssystem zum Aufschub der Familiengründug
geführt haben. Als Bestätigung dieser Annahme wird angeführt, daß
das Heiratsalter "früher" (im Bern des 17. Jahrhunderts)
durchschnittlich niedriger war, weil sowohl Männer und als auch
Frauen einen niedrigeren Ausbildungsstand hatten (s.272).
MEYER/SCHULZE (1983) nehmen hingegen auf neuere Entwicklungen
Bezug, um die Tatsache zu erklären, daß Frauen in den siebziger
Jahren eine vergleichsweise geringere Bereitschaft zur Ehe
zeigten und stattdessen zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften
tendierten. Als Ursache dafür betrachten auch sie die
verbesserten Ausbildungsmöglichkeiten und Berufschancen der
Frauen in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. In der
modernen Gesellschaft ermöglicht die ökonomische Selbständigkeit
den Frauen, sich von der einseitigen familialen Abhängigkeit zu
befreien. Frauen distanzieren sich zunehmend von der einseitigen
Festlegung auf Funktionen der Regeneration der Familienmitglieder
und wenden sich stärker anderen Formen des Zusammenlebens zu.
Das Hauptproblem dieser und ähnlicher Analysen ist darin zu
sehen, daß bei der Beurteilung des sozialen Wandels der
Familiengründung nicht zwischen Kohorten- Perioden- und
Alterseffekten differenziert wird. Werden diese Aspekte des
sozialen Wandels nicht deutlich voneinander getrennt, so nehmen
die Aussagen über die historische Veränderung der Familienbildung
sehr leicht die Form von "früher-jetzt"-Aussagen mit beliebigem
Gehalt an. Wenn man aber den historischen Kontext der
Wirtschafts- und Sozialstruktur der westlichen Gesellschaft in
seinem Einfluß auf die Familiengründung nachzeichnen will, so muß