- 371
sind es ja gerade und vor allem die peers, die Kollegen und Freunde, die
für ihn wichtig sind und von denen er akzeptiert sein möchte. Bei ihnen
(und übrigens auch bei den Interviewern), aber nicht bei seinem Meister
vermutet Cuno dieselben (interaktionistisch-flexiblen) Kontrollvorstel-
lungen wie bei sich selbst. Cuno verfügt also über eine als harmonistisch
zu benennende Sicht in seinen Person-Umwelt-Evaluationen. Er möchte sich
nicht von anderen Personen unterscheiden - wie die beiden anderen in die¬
ser Arbeit vorgestellten Facharbeiter -, sondern im Gegenteil mit ihnen
gleichgesetzt werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf eine Diskrepanz zwi¬
schen seinem aktuellen Selbstbild und seinem Idealbild hinweisen. In der
unter diesem Aspekt aufschlußreichen Sequenz BESCHWATZEN, aber auch aus
anderen Interviews wird deutlich, daß Cuno sich offenbar in einem Stadium
der Veränderung sieht. Bis vor kurzer Zeit hat er sich von anderen Per-
sonen beeinflussen lassen. Heute und in Zukunft möchte er dagegen seine
eigenen Einflüsse stärker zur Geltung bringen. Sein Bestreben dürfte es
sein, mehr Kontrolle über sein Verhalten zu bekommen, mehr Stabilität,
Berechenbarkeit und Verbindlichkeit in einem stärker aktiven Handeln zu
erreichen (und demzufolge auch resistenter gegen die Beeinflussung von
Freunden, Kollegen und anderen Personen zu werden).
Wie das Beispiel MEISTER zeigt, sind allerdings keine Wünsche nach
einem eher rigiden Sich-Durchsetzen erkennbar. Ob Cuno solche Wünsche tat-
sächlich nicht hat oder ob er sie für sich als nicht realisierbar ein-
schätzt und von daher ablehnt (kognitive Dissonanzreduktion), kann hier
nicht entschieden werden.
Eine wichtige Voraussetzung für eine solche Veränderung bringt Cuno
nach unserer Einschätzung durchaus mit. Es sind dies kognitive Kompeten-
zen der Selbstreflexivität: Cuno erscheint als selbstkritisch und als