Full text: Hoebig, Wolfgang: Bedürftigkeit

269 
zahlungsfähigen Bedürfnisses, indem der Arbeiter sich nicht 
die notwendigen Lebensmittel - wie für die Reduzierung der Not¬ 
durft - sondern den Luxus - als zwanghafte Notwendigkeit für 
die Gier - kreditieren läßt. Er nimmt also Kredit auf, um seine 
Bedürftigkeit als Trieb zu kompensieren, nämlich gesellschaft- 
lichen Reichtum zu erwerben. Insofern also Kreditierung der Be¬ 
dürftigkeit, und die ist noch weitaus profitabler als die Kre- 
ditierung von Notdurft. Sie ist eine Anweisung auf erweiterte 
Reproduktion der Bedürftigkeit und erweiterte mehrwertschöpfen- 
de Arbeit - oder eine Anweisung auf das Gefängnis, die formell 
juristische Sanktionierung der Enteignung, Entmündigung, wie der 
Deprivation. 
Selbst hier, wo der Erwerb von Luxus zum Gegenstand des Bedürf- 
nisses wird, ist der Luxus gesetzt als Befriedigung eines not- 
wendigen - zwanghaften - Bedürfnisses, der naturhaften und da¬ 
her naturnotwendigen Bedürftigkeit. Notwendige Bedürfnisse aber 
sind Bedürfnisse eines solchen Individuums, das selbst auf ein 
Natursubjekt reduziert ist - also Vertierung, Vertierung im Lu- 
xus. 
"Luxus ist Gegenstand zum Naturnotwendigen. Notwendige Bedürf¬ 
nisse sind die des Individuums, reduziert selbst auf ein Na- 
tursubjekt. Die Entwicklung der Industrie hebt diese Naturnot- 
in der bürgerlichen Gesell¬ 
wendigkeit, wie jenen Luxus auf - 
schaft allerdings nur gegensätzlich, indem sie selbst wieder 
nur bestimmten gesellschaftlichen Maßstab als den notwendigen 
gegenüber dem Luxus setzt." (Marx, Grundrisse, S. 426) 
In der Kreditierung der Bedürftigkeit - Befriedigung dieses Be- 
dürfnisses, Befriedigung der Maßlosigkeit - tritt die mensch¬ 
liche Subjektivität im Kapitalismus in Form der Bedürftigkeit 
unmittelbar zu sich selbst in Beziehung; sie setzt sich selbst 
in der Bestimmung eines Bedürfnisses - eines per Kredit zah¬ 
lungsfähigen Bedürfnisses - aber als ein von allen anderen Be¬ 
dürfnissen verschiedenes Bedürfnis, dessen Befriedigung nicht 
Entfaltung und Genuß, sondern Reproduktion - Setzung von Mangel 
und Unvermögen, Entzug - von Bedürftigkeit auf erweiterter Stu¬ 
fenleiter.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer