Full text: Grote, Claudia von: ¬Die Bedeutung der soziolinguistischen Kodes für die kommunikativen Fähigkeiten eines Sprechers

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Sprechermodell. Weder wird der Text unter realen Dialogbedingun- 
gen produziert, noch erlaubt die Thematik die Güte der Texte 
durch ihre Kommunikationseffizienz zu erschließen. Bernsteins 
Testsituation schafft zwar die Bedingungen für Sprechhandlungen, 
die auf einen konkreten anderen gerichtet sind und ein spezi- 
fisch kommunikatives Ziel implizieren (nämlich möglicherweise 
widerstreitende Positionen zu klären), aber die offene Gruppen¬ 
diskussion erlaubt des Gruppeneffekts wegen keine Vergleichbar- 
keit der kommunikativ-pragmatischen Bedeutung der individuellen 
Texte. 
Ob also die Fähigkeit zur Rollenübernahme oder eine differen- 
zierte Erfassung eines Objektbereichs durch den restringierten 
Kode eingeschränkt wird, kann erst in einer Testsituation 
überprüft werden, in der Sprecher und Hörer über einen gemein¬ 
samen Referenten kommunizieren, dessen effiziente Darstellung 
und Erörterung durch ein sprachunabhängiges Kriterium gemessen 
wird. Diese Bedingung erfüllt weitgehend das Experiment von 
Heider (1971). Dieses gibt eine Kommuniaktionsaufgabe vor, 
deren unterschiedlich gute Lösungen ein unabhängiges Maß für 
die Effizienz der Texte, die von US- und MS-Probanden erzeugt 
werden, darstellt. Allerdings schränkt die Testsituation die 
Bedingungen eines realen "Kommunikationsspiels" insoweit wieder 
ein, als die Kinder in einer faktisch monologischen Situation 
(die Testanweisung lautet: "beschreib das Bild so gut, daß jedes 
Mädchen oder jeder Junge deines Alters es aus mehreren heraus¬ 
finden kann") die Bildaufgabe beschreiben und erst in einem zwei- 
ten unabhängigen Teilschritt der Untersuchung die so monologisch 
erzeugten Texte jeweils anderen Kindern vorgelesen werden, die 
nach der Beschreibung Bilder auswählen müssen. 
Erst in einer Untersuchung von Bruck und Tucker (1974), das 
1 
heißt lange nach der Durchführung unseres Experiments, wurde 
diese Kommunikationsaufgabe unter dialogischen Bedingungen 
gelöst. Aber hier wiederum wird Kommunikationseffizienz be- 
zogen auf eine obere "Leistungsgrenze' 
(der VL fragt so 
lange 
nach weiteren Informationen unabhängig davon, ob er das Bild 
auswählen kann oder nicht, bis der Sender keine weiteren 
mehr zu geben weiß) und nicht bezogen auf die Menge von Infor 
mationen gemessen, die im Dialog zur Identifikation des Bil- 
des abverlangt oder selbsttätig angeboten werden. Erst damit 
ist die Voraussetzung für eine "normale" Kommunikation er- 
füllt und eine Bedingung für autonome Explikation geschaffen.
	        
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