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Sprechermodell. Weder wird der Text unter realen Dialogbedingun-
gen produziert, noch erlaubt die Thematik die Güte der Texte
durch ihre Kommunikationseffizienz zu erschließen. Bernsteins
Testsituation schafft zwar die Bedingungen für Sprechhandlungen,
die auf einen konkreten anderen gerichtet sind und ein spezi-
fisch kommunikatives Ziel implizieren (nämlich möglicherweise
widerstreitende Positionen zu klären), aber die offene Gruppen¬
diskussion erlaubt des Gruppeneffekts wegen keine Vergleichbar-
keit der kommunikativ-pragmatischen Bedeutung der individuellen
Texte.
Ob also die Fähigkeit zur Rollenübernahme oder eine differen-
zierte Erfassung eines Objektbereichs durch den restringierten
Kode eingeschränkt wird, kann erst in einer Testsituation
überprüft werden, in der Sprecher und Hörer über einen gemein¬
samen Referenten kommunizieren, dessen effiziente Darstellung
und Erörterung durch ein sprachunabhängiges Kriterium gemessen
wird. Diese Bedingung erfüllt weitgehend das Experiment von
Heider (1971). Dieses gibt eine Kommuniaktionsaufgabe vor,
deren unterschiedlich gute Lösungen ein unabhängiges Maß für
die Effizienz der Texte, die von US- und MS-Probanden erzeugt
werden, darstellt. Allerdings schränkt die Testsituation die
Bedingungen eines realen "Kommunikationsspiels" insoweit wieder
ein, als die Kinder in einer faktisch monologischen Situation
(die Testanweisung lautet: "beschreib das Bild so gut, daß jedes
Mädchen oder jeder Junge deines Alters es aus mehreren heraus¬
finden kann") die Bildaufgabe beschreiben und erst in einem zwei-
ten unabhängigen Teilschritt der Untersuchung die so monologisch
erzeugten Texte jeweils anderen Kindern vorgelesen werden, die
nach der Beschreibung Bilder auswählen müssen.
Erst in einer Untersuchung von Bruck und Tucker (1974), das
1
heißt lange nach der Durchführung unseres Experiments, wurde
diese Kommunikationsaufgabe unter dialogischen Bedingungen
gelöst. Aber hier wiederum wird Kommunikationseffizienz be-
zogen auf eine obere "Leistungsgrenze'
(der VL fragt so
lange
nach weiteren Informationen unabhängig davon, ob er das Bild
auswählen kann oder nicht, bis der Sender keine weiteren
mehr zu geben weiß) und nicht bezogen auf die Menge von Infor
mationen gemessen, die im Dialog zur Identifikation des Bil-
des abverlangt oder selbsttätig angeboten werden. Erst damit
ist die Voraussetzung für eine "normale" Kommunikation er-
füllt und eine Bedingung für autonome Explikation geschaffen.