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Indem der RK den Sprecher empfänglich macht für eine "unmittel¬
bare Beziehung" zwischen Sprecher/Zuhörer, in der die persön-
lichen Qualifikationen in einem "expressiven Symbolismus zum
Ausdruck (kommen), der ausschließlich auf sich selbst Bezug
hat" (Bernstein, 1959, S. 22), und in der der Sprecher/Zuhörer
lernt, auf Anhaltspunkte, die unmittelbar relevant sind, zu
reagieren, beschränkt der RK den Sprecher/Zuhörer in der
Interpretation zugrundeliegender Motive, Gefühle und Erwartungen.
Angesichts von Situationen, in denen die zentralen Hinweise auf
Handlungsmotive aus der mittelbaren Form sprachlicher Äußerungen
hervorgehen und das heißt aus der Art der Zusammenstellung der
Wörter und der Art der Beziehung zwischen den Sätzen, wird sich
diese Beschränkung der sprachlich vermittelten Rollenübernahme für
den Sprecher/Hörer in Kommunikationsmißerfolgen manifestieren. So
fördert der RK ein kommunikatives Verhalten, das auf den explizi-
ten, das heißt wörtlichen Gehalt einer Äußerung reagiert, aber
seine metakommunikative Bedeutung unbeachtet läßt. Konsequent ist
ein Kommunikationsmißerfolg, dessen Eintreten der Sprecher im RK
nicht einmal kontrollieren kann, da er durch diese Gesprächsstra¬
tegie unbewußt Intentionen des Kommunikationspartners ignoriert,
den Kommunikationspartner frustriert und unabsichtlich Wider-
stand provoziert'. Das eingeschränkte sprachliche role-taking
folgt also aus einem in der sozialisatorischen Interaktion inter-
nalisierten Kommunikationsverhalten, in dem die Äußerung und
seine verhaltenssteuernde Bedeutung identisch sind.
Ein Beispiel hierfür bietet die folgende Spielsituation
1
die ich einem
zwischen einem fünfjährigen US- und MS-Kind,
Vorschulklasse
transskribierten Beobachtungsprotokoll einer
(Projekt Caesar, u.a.) entnehme. Das US-Kind fragt so
beharrlich und drängend das MS-Kind, ob und wann es mit dem
Spielzeug spielen könnte, mit dem dieses gerade beschäftigt
"Mensch, ist mir
ist, daß das MS-Kind schließlich darauf mit
doch egal" reagiert. Das US-Kind realisiert nur die wört-
"dann komm ich
liche Bedeutung und zieht den Schluß daraus:
jetzt dran" Die implizit mitsignalisierte Bedeutungsvariante
"laß mich in Ruh", die gerade das Gegenteil behauptet, näm-
lich solange ich damit spiele, laß mich in Ruh, wird in der
Reaktion des US-Kindes nicht berücksichtigt. Damit verstößt
das Verhalten des US-Kindes zwar auf der wörtlichen Ebene
nicht gegen die Bedeutung der Äußerung des anderen Kindes,
verletzt aber auf der metakommunikativen Ebene die Intention,
die in der Äußerung enthalten ist.