Full text: Gripp-Hagelstange, Helga: Zur Struktur ehelicher Interaktion

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welchem Maße bestimmte, vorher unbewußte Momente der Beziehungs¬ 
logik zumindest - vorsichtig ausgedrückt - in Bewußtseinsnähe ge- 
bracht worden sind. In diesem Zusammenhang soll noch einmal auf 
die den thematischen Ablauf der Therapie bestimmende immanente Lo¬ 
gik verwiesen werden. Bis zur fünften Sitzung wird die eigentliche 
Beziehung zwischen den beiden Ehepartnern fast ausschließlich auf 
der Folie anderer familialer Beziehungskonstellationen behandelt, 
obschon sich immer mehr herauskristallisiert, welches die eigent- 
lichen Vorwürfe sind, die die Partner gegeneinander erheben. Ab 
der fünften Therapiestunde ist die Trennungsthematik eigentlicher 
Gegenstand der Sitzung, wobei der Grad der Verschlüsselung, in der 
die Trennungswünsche von seiten Herrn B's dargestellt werden, im¬ 
mer geringer wird. In der zwölften und letzten Sitzung schließlich 
ist nur durch konsequentes Schweigen - gemeint ist hier die strik- 
te Weigerung Herrn B's, mit seiner Frau über den Fortgang der The¬ 
rapie zu sprechen - beziehungsweise durch den Abbruch der Therapie 
zu verhindern, daß das Trennungsthema offen diskutiert wird'. 
Ich meine nun, daß die Gründe dafür, daß das Ehepaar B. den Er- 
fahrungen in der Therapie nicht anders als mit Flucht begegnen 
kann, unter anderem darin gesehen werden sollten, daß die Indika- 
tionskriterien für eine analytisch orientierte Partnertherapie 
nicht erfüllt waren. Es lassen sich vor allem zwei Kriterien nen- 
nen, die eine Indizierung dieser Therapieform für das Ehepaar B. 
problematisch erscheinen lassen: 
Bei beiden Partnern waren sehr starke, unbewußte Widerstände gegen- 
über einer konfliktverarbeitenden Therapie vorhanden, deren Ur- 
1 
Die immer prekärer werdende Situation der Sitzungen für beide 
Partner läßt sich meines Erachtens sogar an äußeren Formalien 
ablesen. Immer größer werden die Verspätungen des Ehepaares, 
mit denen sie den Beginn der Sitzungen hinauszögern. Die Trans- 
kriptseiten mögen dafür als Beleg gelten: Von der ersten bis 
zur letzten Sitzung ergeben sich bei etwa gleicher Zeilenzahl 
folgende Veränderungen: 68 Seiten; 68 Seiten; 57 Seiten; 55 Sei¬ 
ten; 61 Seiten; 37 Seiten; 37 Seiten; 40 Seiten; 66 Seiten; 
32 Seiten; 44 Seiten und 43 Seiten.
	        
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