Full text: Gripp-Hagelstange, Helga: Zur Struktur ehelicher Interaktion

V: Mer wird, mer wird immer mit anderen verglichen. Und da, das 
hat mich früher bei meinen Eltern schon gestört. Gell, da kann 
mer sich gar net selbst entwickeln. Da muß mer sich immer nach 
anderen ausrichten. Und äh ... wenn sie des vielleicht auch 
macht, wenn sie sich nach anderen richtet, gell, un da tut mer 
sich verkrampfen un is dann gar nicht mehr ich selbst. Nachher 
weß mer gar net, was mer entscheidet, was mer tut (S. 37). 
Diese Stelle ist nicht nur im Hinblick darauf interessant, daß 
deutlich wird, wie sehr Herr B. sich wehrt, die an ihn seitens sei¬ 
ner Frau herangetragenen konventionalistischen Anforderungen zu 
erfüllen, sondern sie zeigt meines Erachtens auch, wie sehr er 
Zwänge, die er in sich selbst spürt, nach außen projiziert - ein 
psychischer Mechanismus, der ihm erlaubt, mit diesen Zwängen zu le¬ 
ben, da er sie, wenn er sie als auf die Außenwelt projizierte er¬ 
lebt, zurückzuweisen vermag. Anders ausgedrückt: Das, was das Spe- 
zifikum seiner zwangsneurotischen Charakterstruktur ausmacht, ver- 
folgt er mit Argwohn in der Außenwelt. Dieser für ihn wichtige 
Projektionsmechanismus kollidiert nun aber in fataler Weise mit der 
Bedeutung, die diese konventionalistischen Wertvorstellungen für 
seine Frau haben. Frau B. versucht ihre Identität gerade dadurch 
abzusichern, daß sie besondere Anstrengungen unternimmt und rezi- 
prok von ihrer Umwelt erwartet, ihre auf der Ebene der sozialen 
Identität verinnerlichten Wertvorstellungen zu erfüllen. 
Eine für den Mechanismus der Projektion interessante Stelle findet 
sich gegen Ende der Sitzung, wo man noch einmal auf das verhinderte 
Gespräch zurückkommt: 
V: Ja, ich mein, man hätte dadurch, ja ich hätt da ganz gern ma 
äh ... en Gespräch führn können. Die Kinder war'n im Bett, ich 
mein, die Voraussetzungen war'n an für sich alle gut. Gell. Wenn 
meine Frau die, die erkennt das net. Wenn da ma ne günstige Si- 
tuation is. Gell, die, die, die fühlt sich dann, die macht sich 
dann plötzlich eisenhart da und oder versucht da etwas zu er- 
zwingen, gell, und des is einfach net drin (S. 35).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer