Full text: Zur Geschichte des aufgelös'ten Königlichen evangelischen Schullehrer-Seminars zu Breslau - Eine nothgedrungene Abwehr der in einigen Zeitschriften gegen die Anstalt erhobenen Anklagen und Beschuldigungen ([1])

-Planck-Institut für 
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begannen die Thätigkeit ohne vorhergegangene gemeinsame religiöse 
Feierlichkeit, was uns nicht befremdete, da solche Feierlichkeiten 
unter der letzten Direktion ganz eingeschlafen waren. Die Lehrer 
begannen indeß ihre Lehrstunden mit Gebet und einer Ansprache. 
Am 29. Januar, Vormittags 10½ Uhr, wurden sämmtliche 
Lehrer in das Konferenz=Zimmer beschieden. Hier fanden sie den 
Herrn Ober=Regierungsrath von Heyden und den Hrn. Dir. G. 
In feierlichem Tone eröffnete jener mit Berufung auf die Aller 
höchste Kabinets=Ordre vom 23. Jan., wenn ich nicht irre, die 
sofortige Auflösung des Seminars*). Die Zöglinge wurden 
nun aus den Lehrzimmern in den Musiksaal bestellt und die Kinder 
der Uebungsschulen sofort entlassen. In äußerst humaner Weise 
ward auch den Seminaristen der Befehl Sr. Majestät von dem Hrn. 
Kommissarius verkündet. Der Eindruck war ein gewaltiger, ein Ein 
druck, den kein Mund zu erzählen, den keine Feder zu beschreiben 
im Stande ist. Es war ein Schlag aus heiterm Himmel. Der 
Herr Ober=Regierungsrath von Heyden, selbst davon ergriffen, 
außerte, es sei dieß die schwerste Amtspflicht gewesen, die er je 
auszuführen beauftragt gewesen wäre. Die Lehrer tief erschüttert, 
die Zöglinge ganz bestürzt, verließen den Saal; diese, um die Hiobs 
post nach allen Richtungen hin zu verbreiten und sich theilweise 
zur Abreise bis zum 1. Februar, zu welcher jedem zwei Thaler be 
händigt wurden, anzuschicken **); jene, um im Konferenzzimmer die 
weiteren Beschlüsse Sr. Majestät über sie selbst aus dem Munde 
des Hrn. Kommissarius zu vernehmen. Es geschah dieß bei jedem 
unter vier Augen in zartester Weise. Im Rh. Beob. wird darüber 
aus „zuverläßiger Quelle“ mit ziemlicher Treue so berichtet: 
„Was die Ausführung betrifft, so wird jeder Unbefangene 
„anerkennen müssen, daß dieselbe mit möglichster Schonung 
*) Der Rhein. Beob. ist damit ganz einverstanden, denn er sagt: 
„Es lag hier einer der Zustände vor, wo die Tradition abgeschnitten 
und ein neues Leben unter neuen Bedingungen begonnen werden muß. Der 
ernste, folgenreiche Schritt, der jedenfalls nur nach der sorgfältigsten Er 
wägung geschehen ist, bedarf keiner weitern Rechtfertigung, wenn man er 
wägt, daß es sich hier um die Bildung der Lehrer eines ganzes Regierungs 
bezirkes, mithin um die Einwirkung auf die Volkserziehung in weiten 
Kreisen handelte." 
**) Am Abend desselben Tages versammelten sich die tieferschütterten 
Zöglinge auf eigenen Antrieb nochmals im Musik und Betsaale des Se 
minars und stimmten zum letzten Mal in diesen Mauern das Lied: 
„Ein' feste Burg ist unser Gott“ 
an, sangen nochmals aus voller Seele und in wahrhaft erhebender Weise und 
stärkten sich dadurch und durch ein von einem Zöglinge verfasstes und gehal 
tenes Gebet zur Ertragung des über sie verhängten Schicksals. Am Schluß 
des Liedes loderte das Blatt, auf welchem das vorgetragene Gebet gestanden, 
in hellen Flammen auf, was auf die Zöglinge einen unvertilgbaren Eindruck 
machte. Mit nassen Augen verließen sie den ihnen liebgewordenen Saal. 
(Siehe schlesische Schullehrer=Zeitung Nr. 3.)
	        
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