24 —
nicht wissen, weder hören noch sehen sollte. Oft
gibt sie sich den Schein, als wisse sie schon Man¬
ches, auf daß man ihr nur noch mehr erzählen
möge. Sie mischt sich gerne in vertrauliche Ge¬
spräche, fragt ihre Freundinnen aus, unterhält sich
vorzugsweise mit denen, von welchen sie ihrem
Vermuthen nach mehr Einzelheiten und Besonder¬
keiten vernehmen wird. Zur besseren Erreichung
ihrer Absicht thut sie ihrerseits sehr offenherzig,
ganz diplomatisch; sie verräth auch einige Ge¬
heimnisse — aber unter Bedingung pünktlichster
Geheimhaltung. Es kommt ihr hart an, zur Be¬
friedigung der Neugierde ihre Augen zu schließen
oder zu beherrschen. Sie will Vieles und immer
mehr wissen; sie will lesen, Alles lesen, insbeson-
dere Bücher, die von der „Liebe" handeln. Der
Titel des Buches schon reizt sie, und da will sie
auch wissen, was darin zu lesen steht. Gebricht es
ihr im Laufe des Tages an Zeit, das Buch
nur eben — einzusehen, so bringt sie gerne einige
Stunden der nächtlichen Ruhe zum Opfer, das
Buch von der „Liebe" ganz zu genießen, zu lesen
und wieder zu lesen. Der heil. Alfons Maria
sagt von diesen Büchern: „Sie zünden die Be¬
gierlichkeit der Sinne, wecken die Leidenschaften,
die so leicht den Willen unterjochen und oft so
abschwächen, daß der Teufel, wenn die Gelegen¬
Max Planck institute for kluman Developme