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Die böse Welt macht geschickten Gebrauch oder
vielmehr schändlichen Mißbrauch von der Arg¬
losigkeit der Unschuldigen, nichts Böses Ahnenden,
indem sie soviel möglich eine Gefahr vor ihr ver¬
heimlicht, die mit dem Aelterwerden des Mäd¬
chens für dasselbe eine größere wird. Der Ge¬
fahren sich unbewußt, tritt sie in immer engere
Beziehungen mit weltlich gesinnten Personen, die
es scheinbar so herzlich gut mit ihr meinen und
es an Zeichen inniger Theilnahme nicht fehlen
lassen. In ihrer Einfalt nimmt die Arglose Alles
für gute Münze an, findet allmählig Geschmack
an einer Gesellschaft, wo sie mit offenen Armen
empfangen wird, und nahet arglos ihrem Falle.
Die Bosheit ist reich an Ränken und Stricken,
die jungen Mädchen zu umgarnen wodurch die
Unerfahrenen in ihrem Umgange mit Weltmen¬
schen fast unvermeidlich verstrickt werden und Schiff¬
bruch leiden. An Warnungen und vernünftigen Rath¬
schlägen fehlt es zwar nicht; ihre tugendhaften,
um das Seelenheil ihrer Tochter besorgten Eltern
halten ihr wiederholt die Gefährlichkeit vor Augen;
was aber entgegnen sie oft: „Ach, man gönnt mir
auch nichts, ich darf nirgendwo hin," und machen
dabei ein so jämmerliches, unzufriedenes Gesicht,
als ob ihnen in der That großes Leid oder Un¬
recht widerfahre. Wird sie vom Beichtvater, der
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Digitalis
Max Planck institute for kluman Developme