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seitigen? Die Betrachtung. Du wähnst sehr viel
Geschäfte zu haben, ach! wie täuschest du dich, tau¬
senderlei Nichtigkeiten und Kleinlichkeiten füllen
deine Tage aus. Warum solltest du nicht dich
auf kurze Augenblicke diesen Tändeleien, ja selbst
ernstlichen Beschäftigungen entziehen können, um
dich mit Dem zu unterhalten, dessen Unterredung dir
nie Bitteres bietet?
Der heil. Hieronymus schreibt an eine Dame,
die in der Welt lebte: „Besorge dein Hauswesen,
ohne dabei deine Seele aus den Augen zu ver¬
lieren. Wähle dir einen abgelegenen Ort aus, wohin
du, fern von dem Geräusche der häuslichen Beschäf¬
tigungen, dich zurückziehen kannst und du gleichsam
in einem sicheren Hafen ruhst, wo der Sturm der
weltlichen Sorgen dich nicht erreichen kann, wo die
Ruhe der Einsamkeit die vom Verkehre mit der
Außenwelt aufgewühlten Fluthen deiner Seele be¬
sänftiget. Dann wird deine ermüdete Seele im
aufmerksamen Lesen heiliger Bücher, in der Betrach¬
tung, in ernstlicher und tiefer Erwägung des mensch¬
lichen Elendes, ein heilsames Gegengift finden.
Glaube mir, wenn ich derart mit dir rede, so bin
ich weit davon entfernt, die Deinigen deiner Sorg¬
falt berauben zu wollen; mein Zweck ist im Gegen¬
theil, dir dadurch das Mittel anzugeben, welches
dich lehren wird, was du den Deinen schuldig bist."
— Es ist übrigens so leicht und thut dem Herzen
so wohl, kurze Augenblicke, ja selbst stundenlang
mit dem lieben Heilande zu verkehren. „O Jung¬
frau," schreibt der heil. Ambrosius, „sobald du den
Herrn suchst, wirst du ihn finden. Oder wie wird
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Digitalisierungsvorlage
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
M.