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nieder zu den Füßen des Priesters. Der Priester
ist ein Hirt, der euch auf dem Wege des Heiles
führen wird, den ihr allein, euch selbst überlassen,
nicht finden könnet. Der Priester ist ein Richter,
dessen Urtheilsspruch aber auf Vergebung lautet. Er
ist ein Arzt, der auf die Wunde des Herzens einen
heilenden Balsam schüttet. Er ist der Ausspender
der heiligen Geheimnisse, der an Gottesstatt den
Segen des kostbaren Blutes Jesu Christi über euch
ergießt; er ist der Lehrer, der euch unterrichtet, der
Vater, zu dessen Füßen ihr euere Fehler bekennet,
der euch segnet und Mitleid hat mit euerem Elende,
der euere Seele tröstet und ihrer Schwäche zu Hilfe
kommt; er ist ein Vater, dessen Liebe und Güte um
so größer, je schwerer euere Sünden sind. Der
Wolf, der mit seinen mörderischen Zähnen sich auf
das aus der Heerde geraubte Lamm wirft, drückt
demselben zuerst die Gurgel ein, damit es durch sein
Geschrei nicht den Hirten herbeilocke. So macht es
auch der Satan. Auch er verschließt der Seele den
Mund, damit sie ihr Unglück nicht dem entdecke,
der sie erretten könnte. O du armes Lämmlein
rufe kläglich nach Hilfe, damit man die dir drohende
Gefahr erkenne, und der Wolf seine Beute fahren
lasse. Oft genügt es vertrauensvoll dem Diener
Gottes die Versuchungen, welche uns bestürmen, zu
entdecken um sie ohne weitere Gefahr für unsere
Seele zu zerstreuen. In diesem Sinne schreibt der
heil. Bernhard: „Beeile dich, liebe Schwester, selbst
deine bösen Gedanken zu bekennen; weil die Genesung
einer Seele rasch voranschreitet, wenn sie ihre Mängel
und Fehler bekennt." (De modo bene vivendi.)
Digitalisierungsvorlage:
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