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Nichts mehr von der Welt wissen, nein, mein Gott,
ich will nicht mehr sündigen!" Ihre große Rührung
macht sie für den Augenblick zur Beichte unfähig;
deßhalb tritt sie aus dem Beichtstuhl und läßt ihren
Thränen freien Lauf. Einige Zeit später kehrt sie
zurück, wirft sich nieder vor dem Diener Gottes
und legt eine Lebensbeicht ab unter den Gefühlen
der tiefsten Demuth und lebhaftesten Reue. Die
Kirche feierte an diesem Tage das Fest der Ver¬
kündigung Mariens, deßhalb erhielt Katharina die
erbetene. Erlaubniß, sich dem heiligen Mahle zu
nahen. Beim Empfange ihres Heilandes fühlte sie
aufs Neue ein heilsames Verlangen nach dieser
göttlichen Speise.
Das Andenken an ihre Sünden zerreißt fort¬
während ihr Herz; vierzehn Monate lang züchtigt
sie deßhalb ihren Leib, indem sie sich harte Bußüb¬
ungen auferlegt. Nach Verlauf dieser Zeit ließ
Gott sie erkennen, daß sie seiner Gerechtigkeit genug¬
gethan hätte, und somit gedachte sie nicht weiter
dieser Sünden. Von da an führte Katharina mehr
ein Leben der Engel, als das eines Menschen und
erlangte in den letzten dreißig Jahren ihres Lebens
eine so große Unschuld, daß sie einem Kinde glich,
welches den Gebrauch seiner Vernunft noch nicht
erlangt hat und somit Gott nicht beleidigen kann.
Siehe, christliche Jungfrau, ohne diese Beicht, durch
welche sie ein neues Leben begann, würde diese schöne
Seele vielleicht an den Klippen der Melt gescheitert
sein.
O ihr, die ihr unter der Last euerer Sünden
und Gebrechen seufzet, kommet und leget euere Bürde
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Digitalisierungsvorlage:
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
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M.