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heit, womit die Ehre und das Glück von Vater und
Mutter und Geschwistern, von Freunden und Bekannten
auf's innigste verflochten ist. Was folgt hieraus? Also muß
auch jede Bekanntschaft Familiensache bleiben, und darf
niemals in eine Art von Heimlichkeiten ausarten. Hiefür
Väter und
nun zu sorgen ist vor allem eure Pflicht —
Mütter. Ihr habet eine Tochter: ein Jüngling will sie
heirathen, und besucht sie in der Woche ein, zwei Mal,
gut, aber wo? wie lange seid ihr in der Stube bei ein¬
ander, gehet ihr nicht zu Bette, bis eure Tochter auch
schläft? Betrachtet ihr es als eine Ehrensache, den künf¬
tigen Schwiegersohn aus dem Hause zu begleiten? Lasset
ihr eure Tochter mit ihrem Liebhaber nirgends hingehen,
es sei denn in Familiengesellschaft.
Ihr habet einen Sohn, der zu einer Jungfrau geht:
Haltet ihr Nachschau, ob dieses Verhältniß auch als
Familiensache gehalten wird? Und wenn nicht, lasset ihr
ihn nicht mehr hingehen?
Aber, denket ihr, „das ist nun einmal nicht Sitte,
so werden die wenigsten Bekanntschaften gehalten." Warum?
Weil ihr diese Verhältnisse nicht als Familiensache betrachtet,
sondern als Angelegenheit dieser zwei jungen Leute. Des¬
halb sieht es aber auch aus, wie es vielfach aussieht. -
Wohl berühre ich unangenehm, weil ich diese Lebensfreuden
der Jugend angreife; weil sie aber nur zu oft Anlaß der
Sünde werden, muß es doch sein. Wenu ich euch sagte,
„es darf überhaupt keine Bekanntschaft mehr geben," dann
könntet ihr zürnen; wenn ich aber sage, ihr habet zu
wachen und zu sorgen, daß für die Ehre des Hauses, für
die Bewahrung der Unschuld, für das Glück der künftigen
Ehe diese zwei Leute nur im Schooße der Familie mit¬
einander verkehren, wer kann mir da grollen, als diejeni¬
gen, welchen Sünde und Bekanntschaft als das Gleiche
gilt?
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Digtalisierungsvorlage.
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