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suchungen besiegen, bedürfen wir in jedem Stande be¬
sonderer Guaden, die man Standesgnade nennt. Aber
ist denn Gott nicht gütig und freigebig und das gegen
Alle? Allerdings; aber bei all dem ist ein großer Unter¬
schied zwischen Gnade und Gnade wie zwischen Stern und
Stern und die Freigebigkeit Gottes hat viele Grade.
Wenn du nämlich den Stand erwählest, den Gott für
dich bestimmt hat, erhälst du reichlich all jene Gnaden,
welche er mit diesem Berufe verbunden hat, damit du
darin ganz leicht dein ewiges Heil wirken könnest; wenn
du aber dem Rufe Gottes nicht folgest, und dir nach
deinem Eigensinn einen Beruf erwählest, nach deinem
Starrsinn eine verbotene Ehe eingehest, wirst du all jene
Gnaden nicht erhalten und so schwerlich dein Heil wirken.
Geschieht dir etwa Unrecht? Darfst du dich beklagen?
Aber heißt es denn nicht, „wenn du nicht berufen
bist, mache dich berufen." Wenn man also auch in der
Standeswahl gefehlt hat, so kann man doch die Guade
Gottes reichlich erhalten. Was ist da zu bemerken?
Freilich soll man den Leichtsinn bei der Standeswahl
herzlich beweinen, Gott um Verzeihung und Gnade bitten
und so Verzeihung und Gnade finden; aber wie selten
wird das der Fall sein? Nehmet nur den Ehestand!
Wie Manche führt da Geld und Wollust und Leichtsinn
und Uebermuth und Eigensinn zusammen, die nach Gottes
Plan nie hätten zusammen kommen sollen? Sie sind
nicht berufen, aber machen sie sich etwa berufen oder
stürzen sie gewöhnlich von Irrthum zu Irrthum, von
Sünde zu Sünde, von der Abneigung zum Ehebruche,
zum Unfrieden, zum Krieg, zur Scheidung, zur Wieder¬
verheirathung? Wohin werden sie aus all diesen Ver¬
irrungen einst hinstürzen, und vielleicht ihre Kinder mit
ins Verderben reißen?
Hiermit will ich natürlich nicht gesagt haben, daß
ligitalisierungsvorlage:
L
Erzbischöfliche Diözesan
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
D
nd Dombibliott
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